Bunte Bild-Erinnerungen hat Schwester Lisa Laumann an ihre Zeit als Kinderschwester – und auch noch ihre Haube. Fotos: Gegenheimer Foto: Schwarzwälder-Bote

Lisa Laumann war lange Kinderschwester

Von Winnie Gegenheimer

Dobel "Ach – ich würd es gleich nochmal machen!" Die dies nach 40 randvoll gefüllten Berufsjahren sagt, hat fast 1 700 Dobler unter ihren Fittichen gehabt, deren erste Schritte ins soziale Leben mitgeprägt und ihnen Kenntnisse und Fertigkeiten vermittelt: Lisa Laumann, geborene Ruff, die in Kürze ihren 78. Geburtstag feiert.

In Dobel kennt sie fast jeder als Schwester Lisa. Bis heute, 18 Jahre nach ihrem Ausscheiden aus dem Beruf, ist sie unermüdlich ehrenamtlich tätig. Was sie jung hält? Einen guten Teil trägt die Erinnerung bei, verbunden mit vielen Kontakten, beginnend bei ihrer Ausbildung bei der Großheppacher Schwesternschaft: "Da treffen wir uns heute noch!" und ihrer Einführung im Dobler Kindergarten an der Oberen Bergstraße zu Erntedank 1957.

"Ich hatte 60 bis 70 Kinder zu betreuen", erinnert sich die gebürtige Doblerin, "und nur ab und zu eine Helferin. Im Winter hieß es morgens erst einmal: Schnee schieben und Kachelofen anheizen!" Wohnen konnte sie im Pfarrhaus, dem heutigen Rathaus, in "einem Zimmerchen mit Küche". Es waren sparsame Jahre, wie sie erzählt: "Der Frank-Michael, Sohn des damaligen Bürgermeisters Ernst Fischer, hat zu Hause erzählt, dass jedes Kind nur ein Blatt Papier zum Malen bekommt. Daraufhin hat sein Vater uns aus Bad Herrenalb dicke Stapel Zweite-Wahl-Papier gebracht, und wir konnten ab sofort sogar Schneiden und Falten üben." Überhaupt seien die Kinder in den 1950er- bis 1970er-Jahren "weniger wählerisch gewesen" – auch folgsamer. Im heißen Sommer 1958 beispielsweise war sie Nachmittage lang allein mit der großen Schar im Wald in den Heidelbeeren: "Am Gebäude war es so heiß, und die Eltern hatten wenig Zeit für ihre Kinder, die hatten alle Kurgäste." Bis 18 Uhr waren manche Kinder bei ihr.

1972 wurde unter Pfarrer Martin Bergmann der Kindergartenanbau für die zweite Gruppe bezogen. "Es kamen immer wieder neue Bestimmungen und Verordnungen. Die Kindergartengruppen wurden kleiner, Kindergärtnerinnen kamen dazu wie Inge Treiber", erinnert sich die Kindergartenleiterin. "Es gab auch mal Konflikte mit Eltern. Einmal hat sich ein Vater über eine Sache furchtbar aufgeregt – und am nächsten Tag kam seine Frau, brachte uns ein Pfund Kaffee und entschuldigte sich. Für die Eltern, die immer viel geholfen haben, waren unsere Sommerfeste übrigens Glanzpunkte im Jahr."

Ordner voller Dankgrüße aufbewahrt

Ordner voller Abschieds-Dankgrüße hat Lisa Laumann sorgfältig aufbewahrt, und zu jedem krakeligen Malkunstwerk, zu jedem Brief weiß sie etwas zu erzählen. Und umgekehrt. Für Oliver Grässle – doch schon ein paar Jährchen aus dem Kindergarten – ist eindrücklich, wie ihn Schwester Lisa, weil er partout nicht auf seinem Stuhl sitzen bleiben wollte, mit den Hosenträgern an die Stuhllehne "knüpfte". "Ja", sagt diese und nickt heute fast entschuldi-gend, "es war eine andere Zeit. Heute geht das nicht mehr." Und erinnert sich zugleich, wie derselbe Knirps, weil er sich mit dem Papier schneiden schwer tat, von ihr getröstet wurde und viel Unterstützung von Kindergartenfreundin Julia erhielt: "Die war sehr sozial. Später ist sie Lehrerin geworden!"

Lächelnd blättert die Doblerin in ihrer "Zitatensammlung": "Da hat der Gerd mal frische Eier zum Waffeln backen mitgebracht. Und erklärt, der Gockler hätt die grad vorher noch gelegt!" Unnachahmlicher Kindermund. Ihre Schwesterntracht, die hat Schwester Lisa immer geliebt: Grau mit Schürze für alle Tage, schwarz für Feste: "Da war man immer angezogen!" Dazu die weiße Haube auf dem Dutt. A propos Dutt: Martina Böttinger erinnert sich an das seltene Öffnen dieses Dutts: "Für uns Mädchen war es das Größte, wenn wir die taillenlangen Haare einmal kämmen durften!"

Auch als sie Ende der 1970er-Jahre gleich "eine ganze Familie heiratete" – Ehemann Ernst brachte als Witwer drei Kinder mit – blieb Schwester Lisa ihrer Arbeit treu, hatte den Jüngsten sogar mit in ihrer Kindergarten-gruppe. Dass sie ihre Arbeit "mit Freude und Gottes Hilfe gern getan hat", zeigen Begegnungen wie die mit einem jungen Mann, der vor Jahren unvermittelt vor ihrer Haustür stand: "Das war Sezgin, der erste Türkenjunge in unserem Kindergarten. Als er Anfang der 1970er-Jahre kam, konnte er kein Deutsch. Und weinte ständig nach seinem Vater, der nebenan als Bauarbeiter am neuen Kindergarten arbeitete. Wie oft musste ich ihn ohne Worte trösten. Wissen Sie, was Sezgin heute tut? Er ist Arzt in Berlin. Und er kam mir zu sagen, dass ihm heute noch die Wärme gut tut, die ich ihm damals gegeben habe."