Männer halten die Bilder für sexy, bei den Empfängerinnen kommt es meist nicht so gut an. Foto: imago//Joseffson

Die Hälfte der jüngeren Frauen hat schon sogenannte Dickpics erhalten. Männer senden diese oft ohne böse Absichten – und machen sich dennoch strafbar.

Es ist nicht überliefert, wie viele Penisbilder vor der Erfindung des Smartphones versendet wurden. Abfotografieren, entwickeln, mit der Post verschicken, so weit dürften nur wenige gegangen sein. Aber heute sind Dick-Pics, wie die Bilder meist bezeichnet werden, Massenware. Die Hälfte der Frauen zwischen 18 und 36 hat schon mal welche erhalten, ergab eine Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Yougov. Und bei 89 Prozent davon ist das mindestens einmal unaufgefordert passiert. Auch im Verfahren um den Polizeiinspekteur Andreas Renner spielt das eine Rolle.

Männer wollen einfach Eindruck machen

Aber warum machen Männer das? „Männern geht es oft um Anerkennung, sie wollen damit Eindruck machen“, sagt Jonas Kneer, psychologischer Psychotherapeut an der Medizinischen Hochschule Hannover und in dem Projekt „I Can Change“ (Ich kann mich ändern) zur Prävention von sexueller Gewalt bei Männern tätig. Oft erhofften sich Männer auch, dafür Intimbilder zurückzubekommen. Die Erhebung von Yougov beschreibt das ähnlich: Männer hielten Penisbilder für sexy. Die Frauen, die sie empfangen, eher weniger. „Ich glaube, vielen ist nicht bewusst, was sie damit auslösen“, sagt Kneer.

Dominanz zu zeigen oder jemanden zu unterdrücken sei in den meisten Fällen zwar nicht die Absicht beim Verschicken der Bilder, sagt Kneer. „Es kann sein, dass man sich nur ekelt oder schämt, so etwas zu sehen, es kann aber auch sein, dass man daran erinnert wird, dass man ausgeliefert und hilflos ist“, sagt Kneer. „Die wenigsten Frauen berührt das gar nicht, so was ist schon ein sehr, sehr übergriffiges Verhalten“, sagte die Psychologin und Kriminologin Sandra Schwark dem Sender N-TV.

Wer Penisbilder verschickt, macht sich strafbar

Die Bilder könnten bei Frauen mit Missbrauchserfahrung auch zur Retraumatisierung führen, sagt Kneer. „Wenn ich zum Beispiel immer wieder den Penis meines Peinigers sehen musste, kann es sein, dass diese Erinnerung so gespeichert wird, dass etwa Dick-Pics diese Bilder wieder ins Gedächtnis rufen. Durch das sogenannte Traumagedächtnis kann eine Person dann wieder in die Missbrauchssituation geholt werden – sie hat dann das Gefühl, das passiert jetzt wieder“, so Kneer.

Rechtlich ist die Situation klar: Verschickt man Penisbilder oder Nacktvideos, ohne vorher um Erlaubnis gefragt zu haben, gilt das als unaufgeforderte Verbreitung von pornografischen Schriften, und laut Paragraf 184 des Strafgesetzbuchs ist das eine Straftat. „Wenn man sich dazu in der Lage fühlt, sollte man klarmachen, dass das nicht in Ordnung ist – und es eventuell zur Anzeige bringen“, rät Kneer. Blieben ungewollte Penisbilder unwidersprochen, könne das Versender ermutigen.

Meistens wollen Männer damit keinen Schaden anrichten

Laut einer Studie, die die US-Wissenschaftlerin Flora Oswald mit Kolleginnen 2019 durchgeführt hat, verraten unerwünschte Penisbilder auch etwas über die Versender. Sie zeigen demnach tendenziell ein höheres Maß an Narzissmus und würden das andere Geschlecht stärker abwerten als Männer, die solche Bilder nicht unaufgefordert versenden. Der Großteil, heißt es auch in dieser Studie, würde aber nicht beabsichtigen, jemandem Schaden zuzufügen.

Kneer sieht aber bei vielen eine fehlende Sensibilität für Grenzen und dafür, wie man es schafft, diese Grenzen zu erfragen: „Unser Motto ist: Consent is key, also Konsens ist der Schlüssel. Das bedeutet, man sollte wirklich nachfragen, ob jemand daran interessiert ist, seinen Penis zu sehen – und dann darauf warten, dass tatsächlich auch ein Ja als Antwort kommt.“