Bald wird auf der Großbaustelle die Fassade in Angriff genommen / Betreten ist für Unbefugte streng verboten

Von Felicitas Schück Schwarzwald-Baar-Kreis. Das Tor steht offen. Zwei ältere Herren fassen dies als Einladung auf. Mit ihren Fahrrädern radeln sie fröhlich auf die Jahrhundertbaustelle in der Region. "Um Haaresbreite hätten die Rentner unter den zwei Meter breiten Reifen der Baustellenfahrzeuge gelegen", erzählt Markus Scholz."Erschreckend, wie die Bevölkerung hier mit abgesperrten Bereichen umgeht", findet der Kölner, der als Bauleiter der Firma TMK die Aufsicht über den Neubau des Schwarzwald-Baar-Klinikums zwischen Villingen und Schwenningen hat. Sichtbar nimmt das Gelände des künftigen Zentralklinikums schon jetzt den brach liegenden Flächen im Zentrum der Doppelstadt ihre Einsamkeit. Unglaublich nahe rückt das künftige Klinikum an die Geriatrische Klinik und das Wohngebiet Schilterhäusle. "Es ist faszinierend, wie das Ding aus dem Boden wächst", findet Peter Grabherr, Sprecher der Klinik-Geschäftsführung.

14 Fußballfelder groß

Kaum vorstellbar, dass es hier auch noch Platz für Patientenhotels und andere Betriebe geben wird. Das lockt die Menschen. Nach der Landesgartenschau ist das künftige Klinikum offenbar eine Attraktion. Dabei sind die Besucher sich nicht der Gefahren bewusst. "Das Gelände zu betreten, ist nicht nur Hausfriedensbruch, sondern lebensgefährlich", warnt Alessandro Foglia. Der Ingenieur, dessen Vorfahren aus Neapel stammen, koordiniert im Schwenninger Klinikum als Projektleiter die Bauarbeiten für das 260-Millionen-Projekt. 20 Prozent der Aufträge sind noch nicht vergeben. "Es laufen ständig Verhandlungen, Gespräche und Sitzungen finden statt", berichtet Foglia. 180 Personen arbeiten momentan auf einem Gelände, das in etwa die Größe von 14 Fußballfeldern hat. In den nächsten zwölf Wochen werden es 250 Menschen sein und dann "immer mehr", denn der Baufortschritt in diesem Jahr wird rasant sein. Schon jetzt sieht man dort, wo vor wenigen Monaten im Kellergeschoss die Grundsteinlegung stattfand, das Erdgeschoss des künftigen Verwaltungsgebäudes in die Höhe schießen. Sieben Geschosse sollen bis zum Jahresende im Rohbau stehen. Auf der Südseite wird das Gebäude 35 Meter Höhe erreichen. Inmitten des Geländes überwachen mehrere Videokameras auf dem höchsten der Baukräne die Arbeiten.

Weil die Betonfahrzeuge von morgens sechs bis abends 22 Uhr ständig ein- und ausfahren, muss das Tor geöffnet sein. Familienväter spazieren mit ihren kleinen Kindern hier hinein und behaupten dann: "Wir sind vom Bau", wenn sie zur Rede gestellt werden. Regelrechte "Ausflüge" zum Schwarzwald-Baar-Klinikum finden nach Beobachtung des Bauleiters statt. "Da gab es wohl früher Trampelpfade durch das Gelände und jetzt möchten manche sehen, ob man dort noch wandern kann", schmunzelt Alessandro Foglia. In einer Großstadt gebe es zwar auch Neugierige, die durch einen Bauzaun das Gedeihen eines Projektes beobachteten, "aber die trauen sich nicht, einfach reinzugehen", berichtet Scholz, der bisher vor allem in Nordrhein-Westfalen tätig war.

Durch den strengen Winter sind die Bauarbeiten ein wenig ins Stocken geraten, insgesamt momentan ungefähr drei Wochen. Scholz kämpft darum, den Rückstand schnell aufzuholen. "Die Bodenplatte wird jetzt fertig, dann geht’s auch mit allen anderen Gewerken schneller", erzählt er. Erdarbeiten, Flächendrainage und Rohbauarbeiten werden momentan ausgeführt. Gerade haben die Arbeiter begonnen, die Stützwände für das Frauen- und Kind-Zentrum zu errichten. Andere bringen gerade Eisenstäbe zur "Bewahrung" der Wände der radiologischen und onkologischen Abteilung an. Dort wird mit Starkbeton zum Strahlenschutz gearbeitet. Ein Muster vor der Einfahrt zur Baustelle verdeutlicht die unterschiedlichen Stärken. Ein Liter Beton wiegt 2,3 Kilo, ein Liter Starkbeton 3,2 Kilo. Ein Liter Leichtbeton bringt hingegen nur 1,4 Kilo auf die Waage. Leichtbeton wird bei der Energiezentrale des Klinikums verwendet.

Im Rhythmus von zwei Wochen entstehen auf dem 100 000 Quadratmeter großen Baugelände Decken und Wände. Beton braucht heutzutage nicht mehr so lange wie früher, um zu trocknen. Alle 14 Tage können gleichzeitig 1500 bis 2500 Quadratmeter betoniert werden.

Fünf Nationalitäten sind momentan auf der Baustelle vertreten. Rumänische Bauarbeiter haben auf außerhalb der Baustelle angemietetem Gelände Unterkunft in Containern gefunden. "Auch regionale Unternehmen rekrutieren inzwischen Mitarbeiter aus dem Balkan", erzählt Scholz: "Die sind auch gut, dagegen spricht nichts".

Regelmäßig kontrolliert der Zoll auf der Großbaustelle. Mit der Überwachung der Gesundheit der Menschen, die dort tätig sind, ist ein Unternehmen beauftragt. Bisher gab es nur zwei Unfälle, deren Ausgang glimpflich war. Wenn die Gerüstarbeiten im Frühsommer beginnen und die Haustechnikarbeiten sich anschließen, werden wesentlich mehr Menschen und Nationalitäten zwischen Villingen und Schwenningen tätig sein. Im Juli und August wird dann die Metallfassade in Angriff genommen.

"Das macht mir Spaß"

"Das ist das Größte, was ich bisher leiten durfte", erzählt Architekt Markus Scholz: "So etwas bekommt man nicht täglich. Ein einzigartiges Projekt. Das macht mir Spaß." In einem grasgrünen Container mit erstaunlich komfortabler Einrichtung hat der Bauleiter sein Büro. An der großen Büchse haben Rotschwänzchen ein Nest gebaut. Wenn das nicht Glück bringt!

Koordination und Kontrolle auf der Baustelle sind anstrengend. "Aber das ist normal", sagt Markus Scholz: "Jeder versucht, das Beste für sich herauszuholen. Wir müssen dafür sorgen, dass das optimal abläuft." Vor allem Termin- und Vertragssicherheit müssen ständig kontrolliert werden. Alessandro Foglia nickt. Auch für den 50 Jahre alten Freiburger ist es das größte Projekt seiner bisherigen beruflichen Karriere. "Eine schöne Herausforderung", findet der Ingenieur.

Jedes Wochenende fährt Markus Scholz zu seiner Familie nach Köln. Mit dem Auto, denn die Bahnverbindungen könne man vergessen. Sein Arbeitgeber, das Architekturbüro TMK, hat eine kleine Wohnung für ihn angemietet. Er war schon mal in der benachbarten Gaststätte "Hölzlekönig" und meint, das gastronomische Niveau dort sei gut. Eine "Frittenbude" sorgt um die Mittagszeit auf der Baustelle mit "Fast Food" für Verpflegung. "Die Frau hat uns gefragt und wir haben ihr erlaubt, ihren Imbiss zu öffnen", gesteht Peter Grabherr. Das menschliche Miteinander auf der Großbaustelle funktioniere, meint Markus Scholz: "Man grüßt sich, fragt nach und stolziert nicht mit erhobener Nase durchs Gelände." Nur ungebetene Gäste müssen sofort gehen. Es ist dem Bauleiter allerdings schon mal passiert, dass er Klinik-Geschäftsführer Rolf Schmid selbst zum Verlassen der Baustelle aufforderte, weil er ihn noch nie zuvor gesehen hatte. Dem Informationsbedürfnis der Bevölkerung wollen Foglia und Grabherr aber Rechnung tragen. Infotafeln und ein Aussichtspunkt bei der Schickard-Straße werden während der Rohbauarbeiten Einblicke geben. Später sollen Führungen für überschaubare Gruppen wie den Freundeskreis des Klinikums stattfinden.