Der Staatssekretär im Umweltministerium, André Baumann (Dritter von links), überzeugt sich von den Umweltschutzmaßnahmen bei der Firma Schuler Rohstoffe. Foto: Schmidt Foto: Schwarzwälder-Bote

Wirtschaft: Rohstoffunternehmen fordert von Landratsamt und RP Kontrollen gesetzlicher Standards

Die Umweltschutzmaßnahmen der Firma Schuler Rohstoff führten André Baumann, Staatssekretär im Umweltministerium, nach Deißlingen. Vertreter aus dem Regierungspräsidium wie dem Landratsamt fehlten am Tisch. Sie standen in der Kritik.

Deißlingen. Die Energiewende ist in Deißlingen angekommen. Nicht nur in der Gemeinde, auch in den Unternehmen. Zumindest bei Schuler Rohstoff. Aber es stellt sich die Frage: Auch im Regierungspräsidium Freiburg und im Landratsamt Rottweil?

Eindrucksvoll schilderte Geschäftsführerin Bettina Schuler-Kargoll (die am Donnerstag mit der Wirtschaftsmedaille des Landes ausgezeichnet wurde) gemeinsam mit Dieter Kargoll Staatssekretär Baumann die Maßnahmen, die sich das Unternehmen in den vergangenen vier Jahren 18 Millionen Euro kosten ließ. Schuler Rohstoff, das in zwei Jahren mit 110 Mitarbeitern sein 100-jähriges Bestehen feiert, liegt im Aufwärtstrend. Nicht nur in wirtschaftlicher Hinsicht.

Die Schmuddelecke, in der sich das Recycling-Unternehmen noch in den 90er Jahren befunden habe, liege hinter ihnen, sagte Dieter Kargoll. Mit der neuen Unternehmensphilosophie seien Umweltschutz und Rechtskonformität vorangetrieben worden.

Schuler Rohstoff sei daher eines der Unternehmen, das von der Industrie- und Handelskammer, die mit einem Vertreter ebenso am Tisch saß wie die Energieagentur Schwarzwald-Baar-Heuberg und die Kompetenzstelle Energieeffizienz, unabhängig und kostenfrei mit Informationen zum Klimaschutz versorgt werde. Die größte Umweltgefahr, die vom Unternehmen Schuler ausgehe, sei die Verschmutzung von Boden und Grundwasser. Sowohl auf dem eigenen, als auch auf dem Gelände der Kunden und während des Transports. Für die dafür entwickelten Wannen und Oberflächenabdichtungen der gesamten Produktions- und Verkehrsfläche sowohl in Deißlingen als auch beim Neubau in Singen seien sehr hohe Kosten in Kauf genommen worden. "Wir vergraben mehr in den Boden als in die Höhe", sagte die Geschäftsführerin.

Die Umweltleistung des Unternehmens ende aber nicht am Boden. Eine eigene Abwasseraufbereitungsanlage mit einem 980 Kubikmeter großen Rückhaltevolumen sei eingerichtet, eine Direkteinleitung der Dachabwässer in den Neckar geschaffen, eine Regenwasserzisterne zur Brauchwassernutzung, eine Gasmotor-Luft-Wärmepumpe in Verbindung mit einer Betonheizung in Betrieb genommen, die Anlage ausschließlich mit LED beleuchtet und eine Photovoltaikanlage installiert worden. Maßnahmen, die Herzblut erkennen ließen, lobte der Staatssekretär. Selbst ein überdachter Fahrradplatz wurde eingerichtet, um Mitarbeiter zur Anfahrt mit dem Fahrrad zu bewegen.

Eine Anerkennung, wie sie Baumann äußerte, lasse jedoch weder das Regierungspräsidium Freiburg noch das Landratsamt Rottweil erkennen. Die gesetzlichen Vorgaben zum Schutz der Umwelt werde von den Ämtern kaum kontrolliert, und in den Industriebetrieben vor allem nicht durchgesetzt. Dadurch habe sich die Wettbewerbssituation von Schuler Rohstoff verschlechtert. Das Unternehmen beweise zwar herausragende Umweltleistungen, "aber das führt auch zu marktführenden Preisen", umschrieb Kargoll das Problem. "Schuler Rohstoff geht es nicht schlecht, aber wir haben auch schon Großkunden an Mitbewerber verloren. Wir brauchen ein dichteres Kontrollsystem, das vor dem Gesetz alle gleich behandelt", forderte er von Baumann. "Das Regierungspräsidium Konstanz ist sehr dahinter her, aber unsere Region ist schwach."

Baumann ließ Kargolls Ärger unkommentiert, versprach aber ein anderes Forschungs-Projekt von Schuler, die Entwicklung eines Holzkraftwerks, zu unterstützen. Mit einem spezialisierten Holzkraftwerk könne Altholz zur umweltfreundlichen Energiegewinnung beitragen, sagte Kargoll. In der geplanten Dimension könne etwa dem Wärmebedarf des Knauf-Gips-Werks in Lauffen entsprochen werden.

Neben Knauf zeigt die Gemeinde Deißlingen großes Interesse an einer möglichen Umsetzung. Im Rahmen des Klimaschutzkonzeptes, insbesondere der zeitlichen Zielsetzung der Gemeinde, stelle das Knauf-Werk als Großwärmeverbraucher Deißlingen vor die größte Herausforderung, betonte Bürgermeister Ralf Ulbrich. Auf dem Weg zum Projekt könne sich Schuler Rohstoffe daher auf "jegliche Unterstützung" der Gemeinde verlassen.

Baumann sagte, er wolle Energiewende und Wirtschaft gleichermaßen in Baden-Württemberg voran bringen. Den Weg verglich er mit einem Marathonlauf, auf dem die ersten Kilometer zurückgelegt worden seien. "Schuler Rohstoff zeigt sehr eindrucksvoll, wie es gehen kann." Daher werde das Holzprojekt wohlwollend geprüft und nach Fördertöpfen gesucht, die das Projekt anschieben könnten, versprach Baumann.

Auch der Druck auf die Bahn solle erhöht werden. Vor etwa 20 Jahren konnte Schuler Rohstoff noch 70 Prozent seiner Transporte auf die Gleise legen. Inzwischen erlaube die Bahn nur noch 20 Prozent zu verladen, berichtete Bettina Schuler-Kargoll.

"Wir beißen uns die Zähne aus und fühlen uns im Stich gelassen." In Zahlen bedeute dies für das letzte Quartal eine finanzielle Einbuße von 100 000 Euro, "die wir nicht verschuldet haben". Ein grünes Thema, das bei Baumann auf offene Ohren stieß. Verkehrsminister Winfried Hermann werde sich der Sache annehmen.

Aber reicht das Gewicht von Hermann im Vergleich zur Bahn? Martina Braun, Bündnis 90/Die Grünen, bezweifelte es.