Eine nicht nur wegen der zahlreich erschienenen Bürger denkwürdige Gemeinderatssitzung fand kürzlich statt. Foto: Czilwa Foto: Schwarzwälder-Bote

Nach tödlicher Messerattacke offener Brief an die Stadt / Von Seiten der Anwohner sind offenbar keine Beschwerden eingegangen

Von Larissa Schütz und Frank Czilwa

Trossingen. Die tödliche Messerattacke an einer 45-jährigen Trossingerin am 5. September sowie der inzwischen aufgelöste Trossinger Verein "Healthy Generation" sind ein Thema im Trossinger Gemeinderat gewesen. Das Gremium legte zu Beginn eine Schweigeminute für die Tote ein und Bürgermeister Clemens Maier ging auf die Tat ein, bevor er zu den offiziellen Tagesordnungspunkten überging.

Rund 100 Trossinger waren zur Bürgerfrageviertelstunde erschienen – hauptsächlich, um sich über die Flüchtlingsunterbringung im alten Dr.-Karl-Hohner-Heim zu informieren. Nicht mehr zu Wort kamen deshalb nach eigener Aussage die Trossinger Markus Santo und Frank Golischewski. Die beiden haben ihre Fragen deshalb in einem offenen Brief an die Stadtverwaltung formuliert.

"Wir sind der Meinung, dass ein so grausames, nie zuvor erlebtes Tötungsdelikt in Trossingen einer gründlichen Klärung bedarf und im Gemeinderat nicht nach einer Schweigeminute erledigt sein kann", schreiben Santo und Golischewski darin.

Unter anderem wollen sie wissen, wann der Gemeinderat über die Einrichtung des Vereins in der Turnerstraße informiert worden sei, nachdem die Polizei diese der Stadt bereits im Januar gemeldet hatte. Außerdem sollen die Anwohner der Turnerstraße informiert werden.

"Healthy Generation" hatte in einer privaten Wohngruppe in der Turnerstraße ehemalige Suchtkranke aus dem Ausland betreut. Einer der Patienten, ein 25-jähriger Russe, hatte am 5. September eine 45-jährige Trossingerin erstochen.

Im Gemeinderat sei niemand informiert worden, erklärte CDU-Fraktionssprecher Clemens Henn auf Nachfrage unserer Zeitung. Erst nach der Tat habe er davon erfahren. Sein Fraktionskollege Jürgen Vosseler hatte daher in der jüngsten Gemeinderatssitzung "mangelnde Transparenz" beklagt. Bürgermeister Maier bestätigte, dass der Gemeinderat nicht über die Einrichtung informiert worden sei: "Weder wir noch das Gesundheitsamt des Landkreises haben bei unserem Besuch in der Turnerstraße Auffälligkeiten oder Hinweise auf Gefährdung festgestellt", erklärte er. "Wenn alles in Ordnung ist, besteht auch keine Veranlassung, das Thema im Rat anzusprechen."

Ähnlich verhielte es sich mit den Anwohnern. Dass sich vor der Tat vom 5. September und dem Bekanntwerden der Einrichtung noch nie einer der Anwohner bei der Stadt über die Wohngruppe beschwert hatte, hatte Hauptamtsleiter Dieter Kohler gegenüber unserer Zeitung bereits wenige Tage nach dem Tötungsdelikt bestätigt. "Wir als Stadt schreiten ein, wenn es Konflikte gibt", erläuterte Maier. Von solchen habe die Stadt aber keine Kenntnis gehabt. "Die Anwohner, mit denen ich in den letzten Wochen gesprochen habe, sagten, sie seien nie irgendwie belästigt oder gestört worden."

Und auch Stadt und Kreis hätten nach dem Besuchstermin im Januar nie wieder etwas über die Wohngruppe gehört, auch nichts auffälliges bemerkt.

Stadtrat Gustav Betzler von den Freien Wählern findet im Gespräch mit unserer Zeitung die Argumentation des Bürgermeisters daher "schlüssig": "Ich weiß nicht, was das Rathaus da noch mehr hätte machen sollen." Ähnlich sieht es Gemeinderätin Susanne Reinhardt-Klotz (OGL): "Ich weiß nicht, was wir als Gemeinderat mit dieser Information hätten anfangen sollen." Ihr Kollege Hilmar Fleischer von der FDP findet dagegen, dass die Verwaltung den Rat über eine solche Organisation, die offenbar "eher verdeckt arbeitet und von daher von einer gewissen Dubiosität ist", zumindest nicht-öffentlich hätte unterrichten sollen.