Eine Show voller Poesie und atemberaubender Akrobatik zeigte der Chinesische Nationalcircus. Foto: Tröger

Chinesischer Nationalcircus begeistert mit farbenfroher Show voller Poesie. Symbiose aus Varieté und Opiumhöhle.

Calw - Wer sich unter Zirkus das typische runde Zelt mit der Manege in der Mitte vorstellt, liegt beim Chinesischen Nationalcircus voll daneben. Der Deutsche Raoul Schoregge hat mit seiner jungen Truppe chinesischer Ausnahmeartisten beim Auftritt in Calw das gängige Zirkusbild im wahrsten Sinn des Wortes durcheinandergewirbelt.

Die Show "Shanghai Nights unplugged" ist keine Aneinanderreihung einzelner Akrobatiknummern. Sie erzählt vielmehr eine Geschichte aus dem Shanghai der 30er- und 40er Jahre des vergangenen Jahrhunderts.

Die Stadt war damals ein boomender Schmelztiegel verschiedener Kulturen, Nationalitäten und globaler Modeerscheinungen. Die Calwer Aula wandelt sich also zu einer Symbiose aus Teehaus, Bar, Varieté und Opiumhöhle.

Die zehn Artisten sind Gäste und Bedienstete des Etablissements und wie selbstverständlich sind alltägliche Gegenstände wie Teller, Vasen, Stühle die Requisiten, die jongliert und balanciert werden oder im Publikum zum Turm gestapelt, auf dem artistische Höchstleistung präsentiert wird. Die farbenfrohe Show voller Poesie und spielerischer Leichtigkeit, gepaart mit atemberaubender Akrobatik und schier unglaublicher Körperbeherrschung, begleitet von ganz viel feiner Komik begeistert.

"Oh nein!" entfährt es einer Zuschauerin, als sich die junge Balletteuse anschickt, nach ihrem Spitzentanz auf den Schultern ihres Partners diesen einbeinig auf dessen Kopf zu wiederholen, lächelnd und fröhlich mit einem bunten Schirmchen winkend. Oder man hört fast, wie in den Reihen der Atem angehalten wird ob der fast unvorstellbaren Verbiegungen und gleichzeitigen Verdrehung eines zarten weiblichen Körpers. Und natürlich lassen die feuchtfröhlichen Späße um Baguette und Wein des Clowns alias Raoul Schoregge mit seinem Partner niemand kalt. Lachsalven erfüllen den Raum.

Schoregge, der Clown und Produzent der Show, hat auch in Calw bewiesen, dass Zirkus eine Zukunft hat in der gezeigten innovativen Form, mit der ungeheuren Intensität im Zusammenspiel der Akteure, mit der Magie und Dynamik der zweistündigen Show. Immer wieder ist auch das Publikum Teil des Geschehens, wenn der Clown Rosenstiele ohne Kopf verteilt oder auf- und abebbende Klatsch-Choreos initiiert. Und wenn er Mitspieler sucht, die einen imaginären Ball in seine aufgehaltene Tüte werfen sollen und stattdessen klirrend die Beleuchtung zerdeppern.

Zum Schluss holt Schoregge Mariana auf die Bühne. Sie weiß gar nicht wie ihr geschieht, als sie plötzlich die Krönung einer sich unglaublich schnell auftürmenden und drehenden Menschenpyramide ist.

Der Funke ist übergesprungen, die Truppe hat ihr Publikum begeistert, ganz wie es sich die Macher der Show wünschen: Sie kommen als Artisten und gehen als Menschen. Das wurde mit ganz viel Applaus belohnt.