Hesse-Bahn: Naturschutzbund Deutschland setzt sich mit einstweiliger Anordnung durch

Landrat Helmut Riegger gab sich Donnerstag dieser Woche in Nagold siegessicher: "Die Hesse-Bahn – sie kommt", sagte er bei der Amtseinsetzung des Nagolder Oberbürgermeisters. Am selben Tag fällte das Verwaltungsgericht in Karlsruhe eine Entscheidung, die das Projekt abermals blockiert.

Calw/Karlsruhe. Das 50 Millionen Euro teure Vorzeigeprojekt des Landkreises gerät mehr und mehr in die Mühlen der Justiz. Gleich mehrere Klagen sind anhängig: beim Verwaltungsgerichtshof (VGH) in Mannheim, wo Gegner des Projektes, darunter Naturschützer wie Anrainer, gegen den Planfeststellungsbeschluss – quasi die Baugenehmigung – zu Felde ziehen. Und vor dem Verwaltungsgericht Karlsruhe, wo dessen 8. Kammer darüber zu befinden hatte, ob die Rodungsarbeiten entlang der Strecke ruhen müssen oder nicht.

Am 22. November hatte das Gericht dem Landkreis als Antragsgegner mitgeteilt, dass es "davon ausgehe, dass bis zur Entscheidung über den Eilantrag (des klagenden Naturschutzbundes Deutschland NABU – d.Red) von Vollzugsmaßnahmen abgesehen werde". Diese Formulierung der Karlsruher Richter hatte man im Landratsamt indes weniger als Aufforderung, sondern vielmehr als "Bitte" verstanden, wie Projektleiter Michael Stierle gestern auf Anfrage unserer Zeitung erklärte. Schriftlich kündigte die Landkreisverwaltung dem VGH am 28. November an, dass – sollte eine gerichtliche Entscheidung nicht in den nächsten Tagen ergehen – die Arbeiten in dem betroffenen Gebiet kurzfristig wieder aufgenommen würden.

Das rief wiederum die Naturschützer auf den Plan, die dem Gericht umgehend meldeten, dass entlang der Trasse gearbeitet werde. In Form einer einstweiligen Anordnung wurde am 1. Dezember nun ein Rodungs-Stopp verhängt. Begründung der Karlsruher Richter: "Ohne den vorliegenden Hängebeschluss droht eine Vertiefung der Rechtsverletzung des Antragstellers, der zu Recht beansprucht, dass der Antragsgegner keine vollendeten Tatsachen schafft."

Gegen diesen Beschluss kann der Landkreis wiederum mit einer Beschwerde beim Verwaltungsgerichtshof Mannheim reagieren, wo auch die besagten anderen Klagen anhängig sind.

"Der größere Schaden ist der Stillstand"

Die jüngste Entscheidung bereitet Projektleiter Michael Stierle "noch kein Bauchweh", auch er ist wie sein oberster Chef überzeugt: "Wir werden obsiegen!" Aber dem Projekt droht mehr und mehr die Zeit davonzulaufen.

Die Reaktivierung der alten Württembergischen Schwarzwaldbahn muss bis 2018 umgesetzt und 2019 abgerechnet sein, ansonsten drohen Zuschüsse zu verfallen, weil das GVFG-Programm bis dahin ausläuft. Der jüngste Beschluss aus Karlsruhe wirft den Machern im Landratsamt neue Stolpersteine vor die Füße. Bis eine Entscheidung in dieser Sache fällt, können Wochen ins Land gehen. Stierle hofft, dass der Eilantrag des Kreises als Reaktion auf die Karlsruher Anordnung "nicht in die Mühlen reinrutscht" und noch dieses Jahr beim VGH darüber befunden wird.

Währenddessen wird die Zeitschiene immer enger: Gerodet werden darf – aus Natur- und Artenschutzgründen – nur von Oktober bis Februar. Je länger also die Arbeiten ruhen, umso weniger Zeit verbleibt der beauftragten Firma, sie rechtzeitig vor dem Ende der bundesweit geregelten Zeitfensters abzuschließen. Und wenn Schnee fallen sollte, liegt die Baustelle ohnedies still.

Dem Landkreis droht wie auch immer wirtschaftlicher Schaden, sagt Stierle, weil die Rodungsfirma – sofern die Arbeiten Anfang des Jahres wieder mit dem Segen des VGH aufgenommen werden dürfen – nur durch doppelten Personal- und Maschineneinsatz die verlorene Zeit reinholen kann. Die Mehrkosten will der Landkreis im Rahmen einer Schadensersatzklage beim NABU holen. Es geht um sechsstellige Beträge. Doch der größere Schaden, sagt Stierle, "ist der Stillstand".

In zehn Tagen steht die nächste wegweisende Entscheidung in Sachen Hesse-Bahn vor Gericht an. Am 13. Dezember befasst sich der Verwaltungsgerichtshof in Mannheim in einer mündlichen Verhandlung mit der Klage der Stadt Weil der Stadt gegen die geplante Eisenbahnbrücke auf ihrer Gemarkung.