Tänzerin Verena Wilhelm gab unter dem Titel "Von der Angst zur Freiheit" einen Eindruck vom Spannungsfeld zwischen Furcht und der Hoffnung auf ein befreites Leben. Fotos: Selter-Gehring Foto: Schwarzwälder-Bote

Reformation: Festgottesdienst gestaltet

Am Dienstag erreichte das Jubiläum zu 500 Jahren Reformation auch in Calw seinen Höhepunkt.

Calw. Am eigens in diesem Jahr in ganz Deutschland zum gesetzlichen Feiertag erhobenen Tag erinnerten in der Stadtkirche St. Peter und Paul Christen über Konfessionsgrenzen hinweg daran, dass vor 500 Jahren Martin Luther 95 Thesen veröffentlichte und damit den Anstoß zu umwälzenden religiösen, gesellschaftlichen sowie sozialen Veränderungen gab.

Eines von Luthers bekanntesten Liedern

Mit einem Festgottesdienst unter der Überschrift "Zur Freiheit berufen" feierte die evangelische Gesamtkirchengemeinde Calw das Reformationsjubiläum. Die Calwer Kantorei und Chöre aus den Stadtteilen Wimberg und Heumaden gestalteten den Gottesdienst unter Leitung von Kantor Martin Hagner musikalisch. Zum Auftakt trug die Kantorei mit "Ein feste Burg", eines von Luthers bekanntesten Liedern, vor. Ganz im Sinne der Reformation waren die Gottesdienstbesucher aber auch eingeladen, neuere Kirchenlieder, begleitet von Gitarre und Cajon, anzustimmen.

Dekan Erich Hartmann, Pfarrer Dieter Raschko (Calw), Pfarrer Walter Hummel (Wimberg) und Pfarrer Albrecht Fetzer (Heumaden) stellten in ihrer gemeinsamen Predigt die "vier Soli", in denen die Erkenntnisse und Glaubenserfahrungen Luthers zusammengefasst sind, in den Mittelpunkt. Sie erinnerten an das Leben der Menschen im Mittelalter, das von Angst vor göttlicher Bestrafung und ewiger Verdammnis geprägt war. "Die Kirche machte aus der Angst der Menschen ein Geschäft, und Gottes Vergebung wurde käuflich", rief Dieter Raschko unter anderem den Ablasshandel, mit dem die Menschen sich von ihren Sünden freikaufen konnten, ins Gedächtnis.

In seinem Ringen und Suchen machte Martin Luther in der Bibel selbst eine bahnbrechende Entdeckung, die in eben jenen "vier Soli": "Allein aus dem Glauben. Allein aus Gnade. Allein Jesus Christus. Allein die Schrift.", mündete, erklärten die vier Calwer Geistlichen in ihrer gemeinsamen Predigt. "Glauben heißt vertrauen und Vertrauen trägt das Leben", so Hummel. Jeder kenne das Gefühl, eigene und äußere Erwartungen nicht zu erfüllen. Gottes Gnade hingegen rechne nicht auf und nicht ab, betonte Fetzer. "Zwischen Kreuz und Auferstehung passt ein ganzes menschliches Leben in all seinen Wetterlagen", stellte Raschko Jesus Christus als Hoffnung in tiefstem Leid und Freund in größter Freude in den Mittelpunkt.

Hartmann widmete sich dem vierten Soli. Er nannte die Bibel eine "Gebrauchsanweisung für das Leben". Die Worte der Heiligen Schrift schenkten eine neue Sicht und seien Impuls, sich im Licht der Liebe Gottes zu sehen. Die befreiende Kraft dieser Kerngedanken der Reformation war revolutionär und ist auch in einer globalisierten und multikulturellen Welt bis heute aktuell. In dieser Kirche, schlossen die vier Geistlichen, sei Platz für alle – in Freiheit.

Mit ausdrucksstarker Bewegung, Rhythmik und Dynamik gab die Stuttgarter Tänzerin Verena Wilhelm den Besuchern in der voll besetzten Stadtkirche unter dem Titel „Von der Angst zur Freiheit“ einen gefühlvollen Eindruck vom Spannungsfeld zwischen Furcht und der Hoffnung auf befreites Leben. Ihr Tanz machte die befreiende Kraft der Erkenntnisse Martin Luthers für die Menschen vor 500 Jahren bis heute und darüber hinaus deutlich.

Im Anschluss an den Gottesdienst lud die Gesamtkirchengemeinde dazu ein, bei Weißwürsten, Brezeln und Getränken in der Kirche zu verweilen. Ebenfalls eine Reminiszenz an Martin Luther, der gemeinsam mit seiner Frau Katharina von Bora stets ein offenes Haus für Gäste hatte und ein gutes Essen sowie die Tischgemeinschaft schätzte und pflegte.