Pflegeexpertin Monika Volaric (links) und die Sozialgerontologin Cornelia Kricheldorff befassen sich intensiv mit den wachsenden Problemen im Pflegebereich. Foto: Bausch Foto: Schwarzwälder-Bote

Vortrag: Sozialgerontologin Cornelia Kricheldorff kennt sich beim "Gelingenden Altern" aus

Von Bettina Bausch

Calw-Wimberg. Die Zahl der Pflegebedürftigen steigt kontinuierlich. In Deutschland sind derzeit knapp drei Millionen Menschen betroffen. Im Jahr 2030 sollen es jedoch bereits 4,5 Millionen sein. Welche Weichen muss die Gesellschaft jetzt schon stellen, um später damit fertig zu werden? Zur Beantwortung dieser Frage hatte die Calwer Projektgruppe "Lokale Allianz für Menschen mit Demenz" Cornelia Kricheldorff ins Haus auf dem Wimberg eingeladen.

Größte Herausforderung

Die Referentin steht bei Suche nach geeigneten Wegen für die künftig Pflege mit einem Forschungsteam an vorderster Front. Bei ihren Ausführungen zu dem Thema "Gelingendes Altern im Sozialraum und Quartier" konnte sie daher aus dem Vollen schöpfen. Aktuelle Untersuchungen hätten gezeigt, dass im Jahr 2030 in Stuttgart 24 Prozent mehr Pflegeplätze und in Berlin sogar fast 50 Prozent mehr Plätze benötigt werden, so die Referentin. Dann würden mindestens 35 Prozent mehr Pflegekräfte benötigt, als sie heute zur Verfügung stehen.

Sozialgerontologin Kricheldorff ließ keinen Zweifel: Die größte gesellschaftliche Herausforderung, nämlich die Bewältigung der riesigen Aufgabe im Pflegebereich, kann nur gelingen, wenn man sich jetzt schon darauf einstimmt und die richtigen Wege beschreitet. Dazu zeigte die Expertin vielfältige Möglichkeiten auf.

"Das Thema muss auf die öffentliche Agenda, und das Mitwirken der Bürger ist der entscheidende Schlüssel zum Gelingen", hob die Fachfrau hervor. "Wir benötigen mehr soziale Bindung und deutlich mehr kommunales Engagement für diese Aufgabe", so Kricheldorff. Auch das bürgerschaftliche Engagement müsse deutlich mehr gefördert werden.

Die Belastung pflegender Angehöriger sei groß. Und doch setzt Kricheldorff auf möglichst lange Pflege in den eigenen vier Wänden. Dazu müssten alle engagierten Akteure vielfältig unterstützt werden, von Freiwilligen, Helfern aus der Nachbarschaft. "Wir wollen die Generationensolidarität stärken und Netzwerke bilden", lautete das Credo der Referentin. Da man in den Kommunen und Wohnquartieren vor Ort am Besten wisse, was aufgrund der örtlichen Gegebenheiten notwendig ist, sei es wichtig, sich das Wissen der "Stadtteilexperten" wie Kneipenwirte, Apotheker und Physiotherapeuten zunutze machen. Bürgertreffs, Mehrgenerationenplätze und ein mobiles kleines Einsatzbüro mit Zeit für persönliche Gespräche könnten eine große Hilfe sein. Fitnessgeräte, Bolzplätze und wechselnde Angebote der Vereine wären ebenfalls von großem Nutzen für gemeinsame Aktivitäten "Es geht nicht darum alles neu, sondern noch mehr zu machen und sich zu verändern", unterstrich Kricheldorff.

Weitere Belastung

Eine weitere Belastung im Pflegebereich sieht sie künftig bei der Pflege für Menschen mit Migrationshintergrund. Bei dieser wachsenden Gruppe gebe es eine deutliche "Verdichtung von Benachteiligungen". Sie seien oft finanziell schlechter gestellt und hätten vermehrt Zugangsbarrieren zu sozialen Diensten. Auch hier müsse rechtzeitig gegengesteuert werden.

"Wir müssen vom Ich zum Wir", fasste Heimdirektorin Monika Volaric kurz und bündig zusammen. "Bei uns gibt es bereits einzelne Ansätze, aber es wird bisher noch viel zu wenig getan."

"Die Bürgermeister sollten das hören", unterstrich Hansjörg Hummel, der Vorsitzende des Kreisseniorenrats, unserer Zeitung gegenüber.