Foto: Schwarzwälder-Bote

Morgen also ist es soweit: Wir feiern 500 Jahre Reformation in

Morgen also ist es soweit: Wir feiern 500 Jahre Reformation in Deutschland. Ein Jahrhundertereignis! Aber was feiern wir da eigentlich?

Die Person Marin Luthers? Sicher, Luther hat eine Bewegung angestoßen, die in seiner Zeit Kirche und Gesellschaft bis ins Mark erschüttert hat. Seine legendären Hammerschläge an der Schlosskirche in Wittenberg haben die ganze Kirche ins Wanken gebracht.

Aber schon vor ihm haben andere ganz ähnliche Gedanken formuliert und vertreten wie er. Und neben ihm gab es auch noch eine ganze Zahl weitere Reformatoren.

Oder feiern wir ein bestimmtes Ereignis? Am 31. Oktober hat Luther 95 Thesen veröffentlicht gegen den sogenannten Ablass – die Vorstellung also, man könnte sich von den Sündenstrafen mit Geld freikaufen, ja noch mehr: Man könnte sich Gottes Liebe selbst verdienen.

Ob er nun die Thesen an jene Tür geschlagen oder nur zu einer öffentlichen Diskussion eingeladen hat, darüber streiten sich die Gelehrten. Sicher ist nur, dass die Sätze sich in Windeseile in ganz Deutschland und darüber hinaus verbreitet haben.

Aber sie sind nur ein kleiner Teil dessen, was wir heute mit Reformation verbinden und feiern. Die Erkenntnis nämlich, dass wir Menschen von Gott ohne jede eigene Leistung, ohne eigenes Zutun gerecht gesprochen werden. Dass wir also nicht mehr unter einem ständigen Rechtfertigungszwang stehen, wer wir sind und wie wir aussehen, in welcher Lebensform wir leben, ob wir Kinder haben oder nicht, ob wir Auto fahren oder nicht, und so weiter.

Selbst in den sozialen Netzwerken geht es um das Bemühen, möglichst viele "likes" zu bekommen.

Dem steht die faszinierende Botschaft gegenüber: Bevor ich mich selbst in ein gutes Licht stellen muss, hat Gott mich längst anerkannt, geliebt und auf seine Seite genommen. Ich darf im Glauben ja dazu sagen und darauf vertrauen, dass Jesus Christus alles für mich getan hat, was wirklich wichtig ist im Leben und im Sterben. Und aus dieser Gewissheit heraus darf ich als befreiter Mensch leben – und anderen ebenso begegnen wie Gott mir begegnet: offen, liebevoll und voller Güte.

Reformation befreit aus allen Zwängen – und setzt Kräfte frei für den Dienst am notleidenden Nächsten.

Gut, dass wir das Reformationsjubiläum in diesem Jahr nicht als Heldengedenktag für Martin Luther oder als Konfessionsfest der Protestanten begehen. Was vor 500 Jahren zur Trennung der Konfessionen geführt hat, ist Gott sei Dank längst überwunden. Natürlich gibt es immer noch Unterschiede zwischen den Konfessionen. Das ist auch nicht schlimm. Gott ist ein Liebhaber der Vielfalt. Aber als Brüder und Schwestern in konfessioneller Verschiedenheit feiern wir doch gemeinsam den einen Herrn der Kirche, Jesus Christus, der uns mit Gott versöhnt und freigemacht hat.

Ich lade Sie ein – in Ihrem Ort oder gerne auch in der Calwer Stadtkirche – morgen dieses Fest mitzufeiern, egal welcher Kirche Sie angehören. Sie sind herzlich willkommen!  Erich Hartmann ist Dekan des evangelischen Kirchenbezirks Calw.