Foto: Schwarzwälder-Bote

Vor kurzem sah ich wieder einmal einen Hirten mit seiner Schafherde.

Vor kurzem sah ich wieder einmal einen Hirten mit seiner Schafherde. Ein Hirte – bekleidet mit einem weiten Mantel, gestützt auf seinem Hirtenstab. Selten ist dieser Anblick geworden. Und doch – für mich – nach wie vor ein besonderer Moment.

Vielen Menschen ist dieses Bild noch immer vertraut und nah. Vielleicht, weil es mit bestimmten Erinnerungen verknüpft ist – an ein eindrucksvolles Gemälde, an eine stimmungsvolle Szene in der Natur, an einen markanten Text.

Vielleicht ist dieses Bild vom Hirten vielen Menschen vertraut, weil es auch an Träume rührt – Träume und Erfahrungen von Bewahrung und Gewissheit, von Klarheit und Harmonie, von Nähe und Geborgenheit. Der gute Hirte, das ist – um mit dem Psychologen C. G. Jung zu sprechen – ein archetypisches Bild, ein Urbild des Menschlichen. Dieses Bild ist da, tief in uns und lange vor uns.

Das Bild vom guten Hirten nimmt auch der morgige Sonntag in den Blick. Sein Name heißt auf lateinisch "Miserikordias Domini" – was übersetzt bedeutet: "Barmherzigkeit Gottes". Dieser Sonntag von der "Barmherzigkeit Gottes" ist eng verknüpft mit eben diesem Bild vom guten Hirten. "Der Herr ist mein Hirte, mir wird nichts mangeln" (Psalm 23,1).

Auch das Bibelwort, das uns durch diese Woche begleitet, greift dieses Bild vom Hirten auf. Jesus Christus sagt: "Ich bin der gute Hirte. Meine Schafe hören meine Stimme, und ich kenne sie, und sie folgen mir; und ich gebe ihnen das ewige Leben." (Johannes 10,11.27-28) Entscheidend bei dieser Zusage Jesu Christi ist, dass er als der gute Hirte sein Leben hingibt für die Schafe. Das bedeutet, dass wir Menschen umfassenden Schutz genießen und uns vor nichts zu fürchten brauchen, auch wenn es dunkel um uns wird.

Der große Physiker Albert Einstein, der heute genau vor 60 Jahren, am 18. April 1955, in Princeton, New Jersey (USA) verstorben ist, hat dieses Bild vom guten Hirten und seinen Schafen auch verwendet: "Um ein tadelloses Mitglied einer Schafherde sein zu können, muss man vor allen Dingen ein Schaf sein", so hat es der Nobelpreisträger Albert Einstein formuliert, der nun wahrlich nicht im Verdacht steht, blökend und einfältig Allem und Jedem hinterhergerannt zu sein.

Und der bedeutende Philosoph Immanuel Kant hat einmal sinngemäß gesagt: "Ich habe viele kluge Bücher gelesen, aber in keinem Worte gefunden, die eine Tiefe hatten wie die vier Worte des Psalm 23: Du bist bei mir".

Dieses Bild vom guten Hirten und seiner Fürsorge rührt also selbst diejenigen an, die nach dem Urprinzip des Universums und nach der reinen Vernunft suchen.

Dann ist das offenbar so, dass da einer so ganz und gar, mit Haut und Haar, in Freude und Leid, im Leben und im Tod bei mir sein und mich behüten will. Und der, der von sich selbst gesagt hat: "Ich bin der gute Hirte" will zu einem gelingenden und erfüllten Leben führen! Jesus Christus führt auf grüne Auen und zum frischen Wasser. Er ist im Dunkel nahe. Er erfüllt, was der Prophet Hesekiel im Alten Testament vorhergesagt hat: "Ich will das Verlorene wieder suchen, und das Verirrte zurückbringen, und das Verwundete verbinden, und das Schwache stärken, und den Fetten und Starken werde ich Einhalt gebieten; ich werde sie weiden, wie es dem Recht entspricht." (Hesekiel 34,16)

Dieser gute Hirte sorgt auch heute noch für seine Herde. Er ist auch heute noch auf den Wiesen und Feldern zu finden und zu entdecken – auf den Wiesen und Feldern mitten in unserem Leben. Deshalb: Bleiben Sie behütet!

Martin Schoch ist Pfarrer der evangelischen Kirchengemeinde Althengstett