Lebemann Kujau (Bernhard Hurm) und seine Lebensgefährtin (Kathrin Kestler) lassen sich’s gut gehen. Foto: Becker Foto: Schwarzwälder-Bote

Lindenhof-Theater: Konrad Kujau als närrischer Hanswurst

Burladingen-Melchingen (eri). Die Melchinger Premiere von Franz Xaver Otts Stück "Hitlers Tagebuchschreiber" am Theater Lindenhof ließ die Zuschauer immer wieder hin- und hergerissen sein zwischen Gekicher und Gänsehaut – und endete mit verdientem Applaus für die Akteure und den Regisseur Marc von Henning.

Ein Hitler, der Blähungen hat und dessen Freundin sich über seinen Mundgeruch beschwert – der "Gröfaz" im vermenschlichten Weichzeichner seiner Tagebücher, die der geniale Trickser und Täuscher Konrad Kujau ihm auf den kränkelnden Leib geschrieben hat. Was für eine englische Investigativ-Journalistin, gespielt von Linda Schlepps, ein von alten Nazigrößen bewusst gesteuerter revanchistischer Coup ist, ist für die Kujau-Lebensgefährtin (Kathrin Kestler) nach Jahren des Durchhaltens der Garant für ihren luxuriösen Lebensstil, die Edelpralinen, den Sekt und den Pelzmantel.

Das Stück von Franz Xaver Ott geht dabei nicht nur den Begabungen, Charakterschwächen und dem Geltungswahn des Konrad Kujau auf den Grund, sondern beleuchtet auch dessen Umfeld. Die devotionalienverliebten Sammler, den mit Geld jonglierenden Journalisten und die Lebensgefährtin, die die Ahnungslose gibt und deren aller Zusammentreffen schließlich im größten Medienskandal der Nachkriegsgeschichte kumuliert.

Marc von Henning weiß, dass er sich auf das schauspielerische Können der Lindenhof-Akteure verlassen kann. Das erlaubt ihm, die Charaktere scharf zu zeichnen, ja zu überzeichnen. Herrlich Linda Schlepps, die die britische Zeitungsfrau als kaugummikauende Post-Punk-Göre mit Gotik-Schmuck und Lisbeth-Salander-Charme gibt, während eine sächselnde Kathrin Kestler glaubhaft die Kujau-Lebensgefährtin darstellt, die ihrem "Conny" alles nachsieht und nur ein bisschen schmollt über acht Monate auf Bewährung – wegen Beihilfe zur Hehlerei.

Und schließlich Carlo Benz als Spürnase des Magazins, der bei seinem Verlag für die Kujau-Kladden die Millionen locker macht und die ehemalige Göhring-Jacht Carin II sein Eigen nennt – nicht nur damit hat er sich übernommen. Er tritt zwar in Anzug und Krawatte, aber ab dem Gürtel nur mehr entblößt in Unterhosen und Sockenhaltern auf, jammernd, dass sein Ruf dahin, die Karriere beendet ist.

Vielsagend auch die Gerichtsszenen in denen Gerd Plankenhorn als Richter, rohrstockbewehrt und in Kniebundhosen, wie ein Oberlehrer aus der Nazizeit daherkommt.

Zu der Ausstattung und den beredten Kostümen kommen die Videoproduktionen, mit denen Henning gekonnt spielt, die immer wieder für Verfremdungseffekte sorgen und dem Stück Tempo geben. Und schließlich Bernhard Hurm in der Rolles des Fälschers Konrad Kujau. Hurm ist man so sehr im Habitus des wackeren Schwaben gewöhnt, dass es einem schwer fällt, ihm den trickreichen, verschlagenen Taschenspieler abzunehmen. Zu oft kommt dieser Kujau als ahnungsloser Hanswurst daher, tölpelhaft und fast als liebenswerter Schelm, dem es immer wieder gelingt, die Sympathien zurückzugewinnen.

Das alles endet in einem fulminanten Danse Macabre. Der dem Tod geweihte Kujau sitzt in Gefängniskleidung am Bühnenrand und blättert, umringt von Skeletten, die Hitler-Masken tragen, in den Kladden, derweil eines der Knochengerüste munter zu Charleston-Klängen einen Revuetanz vollführt.