Testessen an der Uni: Das japanische Publikum ist durchaus kritisch – aber Sauerteig und Getreide setzen sich auch in Japan zunehmend durch. Für diesen Trend ist Brot-Botschafter Robert Schorp sicherlich mitverantwortlich. Fotos: privat Foto: Schwarzwälder-Bote

Brot-Botschafter: Robert Schorp ist ein Vermittler von Backkunst / Wissen wird in Fernost weitergegeben

6 Uhr morgens, Tokio, Japan: Wie eine Ölsardine kommt sich Robert Schorp in der U-Bahn vor, die sich am frühen Morgen durch den Untergrund der Millionenmetropole schlängelt. Es ist eng, stickig, heiß.

Bräunlingen-Döggingen / Tokio (chn). Zur Vorbereitung hatte Schorp wenig Zeit. Der Veranstaltungsort wurde kurzfristig geändert. Raus aus dem Waggon. Rein in die Schule. 120 Japaner blicken ihn erwartungsvoll an. Schorp soll sie mit deutscher Backkunst bezaubern.

Doch an diesem Tag versagt die japanische Perfektion: Der vorbereitete Teig ist falsch komponiert – und dann gibt auch noch die Rührmaschine den Geist auf. Robert Schorp fühlt sich kurz "echt überfordert". Aber dann rettet er sich. "Mit Improvisation und einer Rezeptur nach Gefühl." Ein Erlebnis, das sich dem Bäcker- und Konditormeister ins Gedächtnis eingebrannt hat – denn ansonsten stimmt die Organisation in Nippon stets: Japaner sind Perfektionisten. Robert Schorp auch.

Döggingen, Gauchachstraße, Mitte der 1990er-Jahre: Eigentlich will der Junge später mal was ganz anderes machen. Vielleicht Sport studieren. Aber mit anderen Zukunftsplänen ist es so eine Sache, wenn das eigene Kinderzimmer direkt über der Backstube im elterlichen Café liegt. Und so kommt es, wie es eben kommen muss: Das Kreative fasziniert den Teenager; die Aussicht, irgendwann sein eigener Chef zu sein, fast noch mehr.

Doch zunächst folgt das harte Brot der Lehrjahre. Der 17-Jährige muss zunächst nicht nur sprichwörtlich kleine Brötchen backen: Nach der Konditor-Lehre in Staufen im Breisgau folgt die Ausbildung zum Bäcker. Im Betrieb der Eltern, der sein Hauptgeschäft schließlich nicht mit süßem Naschwerk, sondern badisch-bodenständig mit Backwaren macht.

Aber der junge Teigkünstler will mehr. "Wer was Gescheites lernen will, der muss auch weite Wege gehen." Also bricht er zu seiner langen Reise auf, die ihn zehn Jahre später als Botschafter deutscher Backkunst zum ersten Mal nach Japan führen wird. Das Etappenziel heißt Weinheim. An der "Akademie Deutsches Bäckerhandwerk" macht er seinen Meister – und den Betriebswirt des Handwerks gleich dazu. Schorp wird der privaten Ausbildungsstätte noch lange erhalten bleiben.

Die Nächte dort in der Kurpfalz sind kurz. Vor und auch nach dem ganztägigen Unterricht blickt der heute 33-Jährige in Schüsseln und Töpfe. "Süßer Traum" heißt das Thema seines Abschlussprojektes – Robert Schorp träumt ihn bis heute.

Nach dem Abschluss geht die Reise weiter: Zusammen mit sechs Leuten aus dem Meisterkursus klappert er im VW-Bus Stationen in ganz Deutschland ab, hospitiert in verschiedenen Betrieben.

Doch in Fulda klingelt Schorps Telefon: Die Akademie lädt zu einem Konditoren-Wettkampf. Kaum Zeit zur Vorbereitung. Aber Schorp hat Erfolg. Mit Präzision – und mit Gefühl. Danach orgelt schon bald erneut das Handy: Ob er nicht Fachlehrer an der Weinheimer Akademie werden will? Robert Schorp will. Entwickelt dort Kurse wie den "Brotsommelier" – und steigt dort bis zum Teamleiter auf.

Tägliche Seminare in der "komplett anderen Welt"

Doch zunächst steigt er in den Flieger: Die Weinheimer Weiterbildungseinrichtung hat Partnerschulen in der ganzen Welt. Schorp bringt Chilenen, Chinesen, Thailändern und Kolumbianern die Reize und Finessen deutschen Brots näher. In der Kurpfalz. Doch als ein Kollege, der eigentlich gen Japan starten soll, krankheitsbedingt absagt, springt Robert Schorp ein.

Fünf Tage dauert 2008 die erste Reise, der noch weitere folgen werden: Vor wenigen Wochen ist er erneut aus Fernost heimgekehrt. Täglich geben Schorp und Kollegen dort Seminare in der "komplett anderen Welt". Ein Kosmos, in dem jahrtausendelang so gut wie kein Brot konsumiert wurde. Erst nach dem Zweiten Weltkrieg wurde ebendieses durch die amerikanischen Besatzungstruppen dort langsam bekanntgemacht – und vor Kurzem erst hat der Brotgenuss in Japan den Reiskonsum überflügelt.

Doch das, was bis heute den japanischen Gaumen passiert, sind daher fast ausschließlich Backwaren aus Weizenmehl. Sauerteig? Roggen? Dinkel? Das zauberte Japanern bis vor einigen Jahren allenfalls das sprichwörtlich höflich-reservierte Anstandslächeln ins Gesicht.

Doch immer mehr Bürger des pazifischen Inselstaats kommen auf den Geschmack – und stellen fest: Was dem Badener schmeckt, kann dem Einwohner Tokios nur recht und billig sein. Ein Trend, zu dem auch Backkunst-Botschafter Robert Schorp seinen Teil beigetragen hat, der seine Fähigkeiten nun auch regelmäßig im SWR-Fernsehen bei "Kaffee oder Tee" demonstrieren darf.

Was kitzelt den japanischen Gaumen denn besonders? "Ein guter Stollen – oder ein Sauerteig-Brot, aber mild muss es sein", weiß der Meisterbäcker. Denn der japanische Mund will traditionell süß und sauer kombiniert, aber das Süße muss dabei dominieren.

Und was hat ihn auf seinen Trips nach Fernost am meisten beeindruckt? "Die Gastfreundschaft." Und auch die Präzision. Als Schorp einst den japanischen Zuschauern beim Show-Backen verkündete, das Brot brauche noch "so fünf bis acht Minuten", blickte ihn nicht nur die Dolmetscherin entsetzt an: "Robert, Du bist hier in Japan!" Und Schorp wusste denn auch sofort, was von ihm verlangt wurde: "Das Brot ist in sechs Minuten und 37 Sekunden fertig!" Dann waren alle zufrieden. Japaner sind halt Perfektionisten – und Robert Schorp eben auch.