Frauen erst seit zehn Jahren geduldet

Bräunlingen. Aller Augen – nicht nur die von Hobby- oder "Berufsnarren" – sind aufs Narrentreffen in der Zähringerstadt am 24. und 25. Januar gerichtet. Eine Gelegenheit, auch einen Blick auf das jüngste "Kind" der 125 Jahre alten Narrenzunft Eintracht zu werfen: auf die "Blumennarren".

Vor exakt zehn Jahren wurde möglich, was in Zunftkreisen über 100 Jahre ignoriert oder für unmöglich gehalten wurde: dass das weibliche Geschlecht Eingang in die historischen Gruppen findet.

So einfach wie es zunächst klingt, ist das allerdings nicht, denn der Dachverband, der Vereinigung schwäbisch-alemannischer Narrenzünfte (VSAN), deren Mitbegründer die Eintracht im Jahre 1924 war, hat bei der Schaffung einer neuen Fasnet-Figur ein gewichtiges Wörtchen mitzureden. Was 2002 geschah, hört sich als Kampfansage gegen die Narrenzunft Eintracht an. Vor der Generalversammlung im November machten Flugblätter mit einem Zitat aus Schillers 1804 entstandenem Schauspiel "Wilhelm Tell" die Runde, in dem er im vierten Aufzug den Bannerherrn Freiherr von Attinghausen rufen lässt: "Das Alte stürzt, es ändert sich die Zeit und neues Leben blüht aus den Ruinen." Vielen Fasnetfans nicht fremd. Jahrzehntelang begleitete über der Stadthallenbühne zur Fasnet ein monumentales Symbol mit eben diesem Spruch die Besucher.

Die Versammlung im "Lindenhof" kam. Die Frauen machten mobil. Die vorgeschlagene familiengerechte Gruppe löste heftige und zum Teil kontroverse Diskussionen aus. Es wurde geheim abgestimmt, 38 Mitglieder stimmten dagegen und fünf enthielten sich. Doch 79 Mitglieder gaben ihre Zustimmung und im darauf folgenden Jahr wurde in der "Weinstube" der aus den 1920-er Jahren stammende wiederbelebte Blumenhansel samt Archivfoto vorgestellt. Diesmal konnte eindeutiger das Ja der Mitglieder erreicht werden. Es verging wiederum ein Jahr. Im "Löwen" konnten sich die Mitglieder ein Bild von der neuen Figur, die man zunächst "Blumennarr" nannte machen, weil es sich sozusagen fix und fertig auf dem Laufsteg präsentierte.

Im Januar 2005 hielt die VSAN ihre Hauptversammlung in Bräunlingen ab. Deren kultureller Beirat wünschte noch Änderungen, insbesondere an der Maske. Am 8. Januar 2005 erfolgte endgültig die Aufnahme und die Figur wurde beim Zunftball vorgestellt. Das hochdeutsche Wort wollte man nicht stehen lassen, sondern wählte das alemannische "Bluemenarre".

Gestartet wurde 2005 mit zehn Hästrägerinnen. Erster überörtlicher und offizieller Auftritt der Gruppe samt Kindern in den Scheesen (Kinderwagen) erfolgte beim Narrentreffen in Weingarten im Januar 2006 unter der ersten Obfrau (Leiterin) Heike Gerdes. In den zehn Jahren ihres Bestehens hat die Leitung der Gruppe nur einmal gewechselt. Heute führt Brigitte Kropfreiter die Bluemenarre. Nachwuchssorgen plagen die Bluemenarre überhaupt nicht. Bei den jährlichen Fasnetumzügen kann sich jeder davon überzeugen. Inzwischen haben die einstigen Skeptiker unter den Zunftnarren erkannt, welche Bereicherung diese Gruppe für eine vielfältige historische Fasnet in Bräunlingen geworden ist.

Wie der Stadthansel trägt der Bluemenarr ein grobes, mit Ölfarbe bemaltes dreiteiliges Leinenhäs mit reichlich Blumenmotiven. Auf der Hose, der Taille zu, Sonnenblumenblüten. In seinem Säsack sind zum Auswerfen an die Zuschauer in Cellophan abgepackte Sonnenblumenkerne mit heiteren aufgedruckten Bauernregeln oder anderen Sprüchen. Die Kosten für das Häs und die in "nobler Blässe" gehaltene Holzmaske (-larve) liegen derzeit bei rund 1200 Euro. Ist die Weihnachtszeit vorüber, dann treffen sich die meisten Hästräger in privater Atmosphäre zum Füllen dieser an die tausend grenzenden von Säckchen. Eine Aktion mit reichlich Kommunikation verbunden mit der Vorfreude auf die bevorstehende Fasnet. Ein Fuchsschwanz und sieben Rollen (Glocken) gehören zur Ausstattung eines Bluemenarrs. Das Häs für ihre Kinder wird von den Bluemenarren selbst gefertigt. Dazu gibt es jedes Jahr Workshops, denn auch für die Jüngsten soll alles stilgerecht und zum Bemalen vorbereitet sein.