Der Donaueschinger Organist Andreas Rütschlin spielt in der Bräunlinger Stadtkirche. Foto: Faigle Foto: Schwarzwälder-Bote

Reformation: Donaueschinger Organist Andreas Rütschlin spielt in Bräunlingen ein hinreißendes Konzert

"Martin Luther in Frankreich" ist eine gewitzte Devise für ein Orgelkonzert im 500. Jahr nach Beginn der Reformation.

Bräunlingen. Luther war zwar nie in Frankreich, der Donaueschinger Organist Andreas Rütschlin hat aber bei seinem Konzert in der Bräunlinger katholischen Stadtkirche interessante Spuren verfolgt, wie in den letzten 150 Jahren Kirchenlieder, die auf Luther-Texten basieren, Eingang gefunden haben in Orgelwerke französischer Komponisten.

Gleich zu Beginn überrascht Rütschlin mit dem 2006 geschriebenen Werk eines französischen Kirchenmusikers libanesischer Herkunft: mit vier Variationen über "Ein feste Burg ist unser Gott" von Naji Hakim, der in Paris unter anderem Organist von Sacré-Coeur gewesen ist. Blitzend virtuos mit scharfen Zungenregistern und in unruhiger Bewegtheit ist der erste Satz zu hören, im zweiten gesellen sich Orientalismen zur Choralmelodie, der dritte erinnert mit immer wieder absteigenden Halbtonschritten an spätromantische Melodik, ehe im vierten eine gewaltige Dynamik und ein explosionsartiger Schluss dem vertonten Text eine mächtige Bedeutung mitgeben.

Bei zwei Choralbearbeitungen von Jean Langlais erweist sich der Organist als meisterhafter Registrator. Wie Rütschlin etwa dem verzweifelten Ruf des Beters, der "aus tiefer Not" nach Gott verlangt, die Klangfarben seelischen Leidens zuweist oder mit fahlen Prinzipalregistern die Vorstellung einer auf der Seele lastenden trägen Masse hervorruft, hat Ausdruckskraft und Tiefe.

Ein zunächst heiterer Kontrast kommt mit Präludium, Fuge und Variation in h-Moll von César Franck aus den 1860er-Jahren. Das Präludium, eine Art kantabler Hirtenmusik, breitet Rütschlin mit empfindsamer Expressivität aus. Die Fuge mit ihrem ungewöhnlichen akkordischen Vorspiel gestaltet er dynamisch auf das Feinste abgestuft und setzt kaum merklich das Schwellwerk der jüngst sorgfältig renovierten Pfaff-Orgel ein. Die Variation nimmt die Eingangsmelodie wieder auf, Rütschlin umgarnt sie gewissermaßen mit den feingliedrigen Begleitfiguren und lässt das Ganze auf einer seelenruhigen Basslinie gründen – er versteht genau, wie sich Klangzauber entwickelt.

Als vierter Franzose mit Luther-Bezug ist Marcel Dupré zu hören, und zwar mit vier seiner 79 Choräle für Orgel aus dem Jahr 1931. Rütschlin findet wieder für jeden einzelnen eine aussagekräftige Registrierung. Ruhe wird verströmt, wenn es um die Geburt Jesu geht; mit gewichtigerer Bedeutung ist unterlegt, wenn "der Engel Schar" den Hirten erscheint und ihnen das Heilsgeschehen vermittelt; und quasi beschreibend wie ein sachlicher Lektorentext ist schließlich der Choral zu vernehmen, wie "Christ zum Jordan kam", um sich taufen zu lassen.

Eines seiner Lieblingswerke hat Rütschlin als Höhepunkt seines Konzertes ans Ende gesetzt, die Sonate Nr. 1 in d-Moll von Alexandre Guilmant. Mit dem sinfonisch-orchestralen Konzertstück spielt sich Rütschlin wie in einen Rausch: mit einem ungemein lebendigen Spielfluss, mit machtvollen Pedalpassagen, höchster rhythmischer Präzision, sattem Tempo und glänzender Dynamik. 100 Konzertbesucher sind begeistert.