Trügt der biedere Schein? NPD-Funktionärin Edda Schmidt aus Bisingen (Zollernalbkreis) muss womöglich als Zeugin im Münchener NSU-Mordprozess aussagen. Das verlangt zumindest einer der Angeklagten. Foto: Denzinger/www.beobachternews.de

Zeuge im NSU-Prozess behauptet, Edda Schmidt aus Bisingen könnte mehr über das Trio gewusst haben – doch die dementiert energisch.
 

Bisingen - Wenn Edda Schmidt im örtlichen Supermarkt Obst und Gemüse kauft, fällt das in Bisingen niemandem groß auf. Die kleingewachsene Frau ist hier meist unauffällig gekleidet, etwas altbacken vielleicht. Das Haus, in dem die 66-Jährige mit ihrem Mann in der knapp 10 000 Einwohner zählenden Gemeinde am Fuße der Burg Hohenzollern ein Antiquariat samt Buchdienst betreibt, liegt etwas zurückversetzt am Ende einer ruhigen Sackgasse in einem Bisinger Teilort. Keine besonderen Kennzeichen auch hier.

Auf Fotos hat Edda Schmidt ein freundliches Gesicht. Auffällig, so wird berichtet, sei mitunter lediglich ihre Vorliebe für Dirndl. Auch ihre Nachbarn beschreiben Schmidt als völlig unauffällig und ruhig. Ab und an zieht sie durch die Wohngegenden und schmeißt Propagandaprospekte der rechtsextremen NPD in die Bisinger Briefkästen. Edda Schmidt ist keine, die auf den ersten Blick Gefahr ausstrahlt – im Gegenteil.

Dabei ist sie vor bald 20 Jahren vom Landgericht Stuttgart nach dem Verkauf von NS-Literatur wegen Aufstachelung zum Rassenhass, Volksverhetzung und Verbreitung jugendgefährdender Schriften zu einer Bewährungs- und Geldstrafe verurteilt worden. Der Richter bezeichnete sie und ihren Mann Hans damals – beide sind seit Jahren für die NPD aktiv – als "geistige Brandstifter".

66-Jährige aus dem Zollernalbkreis trat bei der Bundestagswahl 2013 für die NPD an

Nun fiel Edda Schmidts Name am Mittwoch auch im Münchener NSU-Prozess, mit dem die mutmaßliche Mordserie des rechtsextremen Terrortrios um Uwe Böhnhardt, Uwe Mundlos und Beate Zschäpe aufgearbeitet und ausgeleuchtet werden soll.

Die NPD-Frau aus Bisingen soll dem Zeugen Christian K. laut dessen Aussage um die Jahrtausendwende herum einen Informanten vermittelt haben, der den Aufenthaltsort der untergetauchten drei rechtsextremistischen Terroristen kannte. Sollte sich diese Aussage als richtig und stimmig erweisen, würde dies mindestens einen indirekten Kontakt zwischen den erbarmungslosen NSU-Terroristen und Edda Schmidt nahelegen.

Schmidt bestreitet allerdings vehement, dass sie jemals Kontakt zu den drei mutmaßlichen rechtsextremen Terroristen hatte, die für eine ebenso beispiellose wie auch blutige Mordserie an acht türkischen und einem griechischen Kleinunternehmer zwischen 2000 bis 2006 verantwortlich sein sollen. Zugleich wird dem Trio zur Last gelegt, mehrere Attentate, Anschläge, Banküberfälle begangen zu haben und die Polizistin Michèle Kiesewetter in Heilbronn ermordet zu haben. Nach dem Tod von Böhnhardt und Mundlos in einem Wohnmobil Ende 2011 wird seit Mai 2013 vor dem Oberlandesgericht München gegen Beate Zschäpe und weitere Angeklagte verhandelt.

Schmidt sagt im Gespräch mit unserer Zeitung, dass der Zeuge K. da offenbar etwas zusammendichte. Wegen der Vorwürfe sei sie bereits vergangenes Jahr von der Generalstaatsanwaltschaft Karlsruhe vernommen worden. Möglicherweise muss die 66-Jährige erneut aussagen: Nach der Zeugenaussage vor Gericht am Mittwoch beantragte der Verteidiger des Mitangeklagten Ralf Wohlleben, die Bisingerin als Zeugin zu hören. Entscheiden wird der Strafsenat darüber vermutlich kommenden Dienstag, berichteten gestern zwei Nebenklagevertreter.

Die Vermutung, dass Schmidt zumindest indirekt Kontakt zum NSU-Trio gehabt haben könnte, ist nicht völlig neu. Detailliert beschrieben ist die Szene, wie Schmidt und der Zeuge K. bei einer Schulungsveranstaltung der NPD in Thüringen im Januar 2000 auftraten in dem Buch "Heimatschutz. Der Staat und die Mordserie des NSU" von Stefan Aust, dem früheren Spiegel-Chefredakteur, und Dirk Laabs.

Demnach traf man sich damals in Eisenberg in einer zur Jugendherberge umgebauten ehemaligen Säge- und Getreidemühle 30 Minuten Autofahrt von Jena entfernt. Ein großer schlanker Typ, blond, "keine Szeneklamotten" habe K. erzählt, er solle sich keine Sorgen machen. Böhnhardt, Zschäpe und Mundlos spielten Playstation in einem Chemnitzer Neubaugebiet, denen gehe es gut. So schildert es Aust.

Edda Schmidt bestreitet nicht, bei der Schulung gewesen zu sein. Aber sie wehrt sich energisch gegen die Darstellung des Zeugen K. Weder habe sie die drei mutmaßlichen Terroristen Böhnhardt, Mundlos und Zschäpe jemals persönlich getroffen, noch habe sie sie über Dritte gekannt.

"Über den NSU weiß ich nicht mehr als das, was in der Zeitung steht", sagt Edda Schmidt. Dass ihr ein Kontakt zumindest zugedacht werden kann, kommt nicht von ungefähr. Die 66-Jährige ist seit ihrer Studienzeit in Tübingen tief in der rechten Szene verstrickt. Damals kam sie zur NPD, noch heute gehört sie dem Landesvorstand Baden-Württemberg an, ist zuständig für die Bereiche Kultur und Brauchtum. Zudem ist sie Landesvorsitzende des Rings Nationaler Frauen, war auch schon dessen Bundeschefin.

Mehrere Male war Edda Schmidt außerdem Direktkandidatin für die NPD im Wahlkreis Hechingen-Tübingen. Zuletzt trat sie 2013 bei der Bundestagswahl an; stand sogar auf Platz zwei der baden-württembergischen Landesliste. Bei Landtagswahlen im Wahlkreis Hechingen-Münsingen stellte sie sich ebenfalls dem Votum.

Daneben fungierte Schmidt als Schriftleiterin des Organs "Der Wikinger" und als Gaumädelführerin der Wiking-Jugend, einer neonazistischen Jugendorganisation und Kaderschmiede des Rechtsextremismus, die 1994 in Deutschland verboten wurde.

Die Frau mit der Liebe zu Dirndln erscheint regelmäßig bei rechten Gedenkveranstaltungen

In schöner Regelmäßigkeit taucht Edda Schmidt bei Veranstaltungen und Demonstrationen der rechten Szene auf. So hielt sie im Jahr 2013 beim sogenannten Heldengedenken in Wunsiedel eine Rede. In der oberfränkischen Stadt fand von 1998 bis 2004 alljährlich der Rudolf-Heß-Gedenkmarsch statt; 2013 erinnerte Schmidt an den kurz davor gestorbenen SS-Führer Erich Priebke. Mehrere Male war sie auch bei der von Rechtsextremen organisierten Fackelmahnwache in Pforzheim dabei, mit der alljährlich am 23. Februar die Bombardierung der Stadt während des Zweiten Weltkriegs als alliiertes Kriegsverbrechen gegeißelt wird.

Manche, die den Weg von Edda Schmidt verfolgt haben, sagen, das Bild der biederen Hausfrau sei bloß Fassade. Dahinter verberge sich extremistisches Gedankengut. Aber eine Verbindung zu den mutmaßlichen NSU-Terroristen? Eine Vernetzung des Zschäpe-Kreises bis an den Fuß der Schwäbischen Alb? Ob der Prozess in München Antworten auf diese Fragen bringen wird, erscheint fraglich. Selbst wenn Edda Schmidt tatsächlich in den Zeugenstand gerufen wird.