Dietmar Bartsch. Foto: dapd

Dietmar Bartsch will Chef der Linkspartei werden: Wenn es Sieger und Besiegte gibt, haben wir verloren.

Berlin – Dietmar Bartsch will Vorsitzender der Linkspartei werden – Seine Warnung: Wenn es Sieger und Besiegte gibt, haben wir verloren

Herr Bartsch, mit welcher Strategie wollen Sie jetzt am Wochenende in Göttingen neuer Chef der Linkspartei werden?
Meine Strategie verfolge ich seit November offen und konsequent: Ich habe meine Kandidatur erklärt und verbinde das mit einem inhaltlichen Angebot. Seitdem bin ich viel in der Partei unterwegs gewesen, habe viel zugehört und beschrieben, wie ich die Linke mit vielen anderen gemeinsam wieder auf Erfolgspur bringen will. Und das werde ich in meiner Vorstellungsrede in Göttingen weiter gradlinig tun. Alle taktischen Spiele tun der Linken nur begrenzt gut. Der Souverän, der Parteitag, soll entscheiden.

Die Linke sucht neues Spitzenpersonal. Lafontaine konnte mit einer einzigen Rede sowohl bei der SPD, als er den Vorsitzenden Scharping vom Mikrofon aus wegputschte, als auch bei den Linken einen Parteitag umkrempeln.
Zweifellos, ja.

Bedienen Sie diese Sehnsucht auch, oder sind Sie der besonnene Versöhner?
Ich respektiere die Entscheidung Oskar Lafontaines. Die Linke ist nicht in einer Situation, dass einer oder eine sie retten würde. Zwei oder drei übrigens auch nicht. Wir brauchen eine Führung im Team – niemand kann ein „Ich habe die Lösung, folgt mir und reiht euch ein“ wollen. Das ist vergangenes Jahrhundert. Die Kärrnerarbeit beginnt am Montag nach der Wahl. Der neue Vorstand muss das Wort „gemeinsam“ zum zentralen Begriff machen – sonst scheitert die Linke.

Wird es eine Fehleranalyse geben?
Sagen was ist, ist eine Tugend der Linken, die wir zurückgewinnen müssen. Die Finanzkrise kritisieren, reicht nicht. Wie wir da rauskommen, muss weiter mit anderen überlegt werden, dazu haben wir Vorschläge gemacht. Der Parteitag wird sehr von Personalentscheidungen geprägt sein, weil damit politische Positionen verbunden werden.

"Es geht um viel mehr, übrigens nicht nur mit Blick auf die Bundestagswahl 2013"

Also Namen: Ihrer, ein unbekanntes junges Frauendoppel und Sahra Wagenknecht, die als eine der überzeugendsten Linken gilt.
Es gibt eine Auswahl, ich freue mich darüber, dass mittlerweile viele kandidieren. Aber wenn es am Ende des Parteitags Sieger und Besiegte gibt, ist die Partei die Verliererin. Es geht um viel mehr, übrigens nicht nur mit Blick auf die Bundestagswahl 2013.

Was können Sie besser als die anderen?
Das wird sich an Ergebnissen messen lassen müssen. Aus 20 Jahren Parteiaufbau bei PDS und Linke, verbunden mit der Bewältigung ernster Krisen, bringe ich schon ein paar Erfahrungen mit. Ich weiß nur eins: So wie bisher kann es nicht weitergehen. Wenn wir binnen zwei Jahren die Hälfte der Wähler und Wählerinnen verlieren, gleichzeitig Mitglieder verlieren, bei vielen Themen keine Rolle spielen und bei keinem Thema die Meinungsführerschaft haben – dann muss man doch nachdenken, was anders zu machen ist! Darum ist meine These: Die Mitgliedschaft muss das Sagen haben, wir brauchen Beispiele alternativer Politik, die Partei muss bundesweit vor Ort verstärkt aufgebaut und kommunales Engagement mehr unterstützt werden.

Die Linke muss sich also mit sich selbst beschäftigen – wie finden Sie das richtige Maß?
Die Partei muss zuerst zu sich selbst finden, den Mut haben, endlich Schwerpunkte zu setzen und ihre Aktions- und Kampagnenfähigkeit wiederherstellen. Es geht um Kommunikation und Emanzipation: Wenn unsere Mitgliedschaft wieder brennt, ist die Hälfte gewonnen. Zweitens werden wir konkrete Projekte alternativer Politik entwickeln und diese der Gesellschaft vorstellen. Drittens müssen wir bis zur Wahl 2013 die Eigenständigkeit der Partei sichtbar machen – die Leute müssen wissen, dass sie bei uns praktikable Ansätze dafür finden, dass zum Beispiel der Widerspruch zwischen unendlichem privatem Reichtum und leeren öffentlichen Kassen aufzulösen ist.

Ist die Finanzexpertin Sahra Wagenknecht da nicht geborene Co-Vorsitzende neben Ihnen, dem reformorientierten Dietmar Bartsch?
In einer emanzipatorischen Partei entscheiden Frauen, ob sie kandieren, und Parteitage treffen die Wahl. Ich werde niemanden bewerten, zur Kandidatur auffordern oder gar dazu, nicht anzutreten.