Am Freitagabend wurde die Ausstellung "Kirchner – Modelle, Akte & Kokotten" feierlich eröffnet. Foto: Maier

Willkommen beim "deutschen Picasso": In der Stadthalle sind bis Oktober 126 Werke des Expressionisten zu sehen.

Balingen - "Er ist einer der bedeutendsten deutschen Expressionisten und ganz gewiss der Schillerndste von allen." So beschreibt Kuratorin Annette Vogel den Künstler Ernst Ludwig Kirchner. 126 seiner Werke sind nun in der Balinger Stadthalle zu sehen.

Mit der Ausstellung "Kirchner – Modelle, Akte & Kokotten" sei ein Traum von ihr und Ulrich Klingler in Erfüllung gegangen. Vogel scheute sich bei der Vernissage am Freitag nicht, in Superlativen zu reden: "Wir haben einen der wirklich größten Künstler hier in Balingen. Und in dieser thematisch dichten Auswahl ist Kirchner noch nie gezeigt worden."

Der Titel der Ausstellung suggeriere, dass es nur um Frauen gehe. Weit gefehlt, so Vogel: Es gehe auch um Männer, um Kirchners Weggefährten, und um die Sicht des Künstlers. Der Akt, die Sinnlichkeit, die Erotik und die Kraft der Frau seien für ihn Kunst schlechthin. Kirchner gehe es um Gefühlsdarstellungen, um den Menschen, um Bewegung, um das Festhalten und Bannen von Schnelllebigkeit. "Das ist echte Avantgarde", so Vogel.

In der Ausstellung seien Werke aus Kirchners ganzer Schaffenszeit zu sehen. "In seiner Person und seinem Werk ist ein ganzes Spektrum von Zeitgeschichte, historischer Entwicklung und Atmosphäre gespiegelt – vom Niedergang des Kaiserreichs über die Weimarer Zeit bis hin zum Nationalsozialismus", sagte die Kuratorin. Kirchner sei zwar nicht politisch, wohl aber ein "sensibler Seismograf" gewesen sei.

Seine Straßenbilder gehören nach Ansicht von Vogel "zum Besten" von Kirchners Oevre. Darin halte er das Leben fest, auf Plätzen und Straßen. Und in seinem Rückzugsort der Davoser Bergwelt flammten noch einmal seine Themen auf: Akt, Bewegung und Tanz, inspiriert durch die Avantgarde der Zeit. "Wir schauen auf ein zwischendurch und am Ende tragisches Leben, ein Künstlerleben. Und sind hin- und hergerissen, uns von der Tragik anstecken zu lassen, oder besser, die Fanszination der Kunstwerke zu spüren und zu sehen", so Vogel.

"Ist es nicht schön, dass wir in Balingen diese hochkarätigen Bilder sehen dürfen?", fragte die baden-württembergische Wirtschaftsministerin und frühere Balinger Gemeinderätin Nicole Hoffmeister-Kraut (CDU). Sie bezeichnete Kirchner als Pionier und Spiritus Rector der Künstlergruppe "Brücke", als den "deutschen Picasso". Die Bildsprache dieser Künstler sei als revolutionär empfunden worden. Sie hätten Neuland betreten und neue Ausdrucksweisen erschlossen, seien "Trendsetter" gewesen. Diese Art des Denkens sei auch in der Wirtschaft notwendig. Denn, das zeige eine Studie: Wo viele Kreative seien, da laufe es auch mit der Wirtschaft rund.

Oberbürgermeister Helmut Reitemann wies darauf hin, dass es das Brücke-Museum in Berlin durch die Leihgaben möglich gemacht habe, dass in Balingen Werke zu sehen seien, die selten oder nie Berlin verlassen haben. Der Kunstsommer 2016 mit der Ausstellung als Höhepunkt habe es in sich, es gebe Begleitausstellungen, das Kunstprojekt "Freundliches Balingen" etwa oder das Kunstzelt für Kinder und Jugendliche vor der Stadthalle. Kunst begegne einem in diesen Tagen in Balingen auf Schritt und Tritt – "genießen Sie es".

Weitere Informationen: Die Kirchner-Ausstellung ist in der Balinger Stadthalle bis Montag, 3. Oktober, täglich von 10 bis 18 Uhr (dienstags bis 21 Uhr) zu sehen. Weitere Infos unter www.stadthalle. balingen.de