Kommunalpolitiker aus dem Zollernalbkreis halten das nächtliche Vorgehen der Polizei im Schlosspark für unangemessen

Von Gert Ungureanu

Zollernalbkreis. "Unglücklich", "unangemessen", "beklemmend", "verbale Kraftmeierei", "erschütternd", "exzessiv" – quer durch alle Parteien zieht sich im Zollernalbkreis die Kritik an den Vorkommnissen in der Nacht zum 1. Oktober im Stuttgarter Schlossgarten.

Von einer "unglücklichen Eskalation" spricht der stellvertretende FDP-Kreisvorsitzende Elmar Wischnewski. Die FDP habe ihren Standpunkt deutlich gemacht: "Wir sind für Stuttgart 21." Aber man habe eine Deeskalation angestrebt und das Gegenteil erreicht. Es sei nicht gut, Kinder in vorderster Linie einzusetzen, Schüler hätten während des Unterrichts dort nichts zu suchen, und "Wasserwerfer sind nicht angebracht. Es schadet beiden Seiten."

Der Landrat und CDU-Landtagsabgeordnete Günther-Martin Pauli hat im Landtag erfahren, dass die Situation im Schlosspark eskaliere. Er sei selbst hingegangen: "Es war eine beklemmende Atmosphäre. Jeder, der mit Krawatte kam, wurde sofort angepöbelt." Er könne nicht verstehen, dass die Stadtverwaltung eine Schülerdemo genehmigt habe während der Unterrichtszeit. Und er könne nicht verstehen, dass Eltern Säuglinge und Kinder im Kindergartenalter hineingezogen hätten, "wie zu einem Tigerenten-Auftritt". Pauli ist überzeugt: "Die Verantwortlichen sitzen auf beiden Seiten. Dies ist kein Theaterstück, sondern das richtige Leben. Die Württemberger sind eigentlich besonnene und friedliche Menschen." Nach den erschreckenden Bildern, die man im Fernsehen gesehen habe, sei er zuversichtlich, "dass die Verantwortlichen dazu beitragen werden, dass sich solche Szenen nicht wiederholen".

Auch der CDU-Bundestagsabgeordnete Thomas Bareiß hält die Eskalation für bedauerlich. Er ist überzeugt: "Der Konflikt ist von den Demonstranten ausgegangen, die auf die Polizeifahrzeuge geklettert sind." Er hofft, dass es von nun an friedlich ablaufen werde. Fest stehe: "Stuttgart 21 ist beschlossen, es muss weitergehen."

Der SPD-Landtagsabgeordnete Hans-Martin Haller sieht die Eskalation unter zwei Aspekten: Ministerpräsident Stefan Mappus habe eine "verbale Kraftmeierei" demonstriert und "mehr Eskalation als Deeskalation erreicht". Die einzige Lösung, um die Situation jetzt noch zu befrieden, sei eine Volksabstimmung, die die SPD-Landtagsfraktion beantragen wolle. "Es ist verfassungsrechtlich heikel, aber machbar." Die Polizei sei unter Druck gesetzt worden von "Berufsdemonstranten", die die Bürger "lenken und positionieren, um den Anschein der Friedlichkeit zu erwecken". Die Landesregierung habe es derweil vorgezogen, sich beim Wasenfest zu amüsieren.

Andrea Metzger vom Vorstand der Grünen im Zollernalbkreis ist erschüttert: "Ich habe unter Tränen die Bilder gesehen, ich bin fassungslos", sagt sie im Gespräch mit unserer Zeitung. So was kenne man nur aus Russland und von Diktaturen. Alle Gegner von Stuttgart 21 würden dämonisiert, einschließlich die Kinder. "Wer dagegen ist, wird als Altkommunist abgestempelt." In Baden-Württemberg sei man es nicht gewohnt, dass die Bürger mitredeten: "Wir haben eine Diktatur." Im Grunde gehe es nur um die freiwerdenden Flächen: "Es sind wenige Spekulanten, die richtig böse werden, wenn man nicht macht, was vorgegeben ist. Und die Regierung hat jedes Gefühl für Demokratie verloren."

Es sei notwendig, eine beschlossene Maßnahme umzusetzen, meint der stellvertretende Vorsitzende der Freien Wählervereinigung im Kreis, Lothar Mennig. "Aber es ist unglücklich, wenn bei der Gewalteskalation Schüler, Frauen und Ältere betroffen sind." Das führe auf eine emotionale Ebene, die Fronten würden sich verhärten: "Man hätte eher auf den Faktor Zeit setzen müssen." Andererseits sei es ein rechtsstaatliches Problem: "Wenn gegen alles demonstriert wird, muss man sich überlegen, wie man vorgeht."

"Rech muss zurücktreten", fordert Rüdiger Fischer vom Vorstand der Linken im Zollernalbkreis. Wenn der Innenminister die Polizei unter exzessiver Gewaltanwendung gegen Kinder und ältere Menschen einsetze, habe er nicht nur den Boden der Rechtsstaatlichkeit verlassen. Er verletze auch "in eklatanter Weise" Paragraf 19 der UN-Kinderrechtskonvention. Die Verantwortlichen für die Polizeiaktion müssten "schnellstmöglich ermittelt und in einem rechtsstaatlichen Verfahren bestraft werden", fordert der Linke.

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