Waldemar Rehfuss kann die Patenbriefe in deutscher Schrift lesen. Mit kunstvollen Briefen wie diesem bedanken sich die Konfirmanden bei ihren Paten um 1900 (links). Foto: Müller Foto: Schwarzwälder-Bote

Historisches: Waldemar Rehfuss hat 120-Jahre-alte Patenbriefe / Konfirmanden bedanken sich für Beistand

Das Haus von Waldemar Rehfuss ist ein Sammelsurium Balinger Stadtgeschichte. Der 83-Jährige erkennt historische Schätze, sammelt und pflegt diese.

Balingen. Nun hat der "Ur-Balinger" vier Patenbriefe in die Finger bekommen, die um 1900 oder davor datiert sind.

Bei den Protestanten war es in früheren Jahren üblich, nach der Konfirmation seine Taufpaten aus der Verantwortung zu "entlassen". Der Konfirmand verfasst in Schönschrift einen Brief, in dem er sich für den Beistand im Glauben und die christliche Erziehung bedankt und nun erklärt, im Glauben selbstständig zu sein.

Inzwischen wird diese Tradition kaum mehr von Konfirmanden praktiziert. "Ich musste bei meiner Konfirmation 1948 noch Patenbriefe verfassen", stellt der Rentner fest. Irgendwann zwischen damals und heute schien das Schreiben von Patenbriefen unüblich geworden zu sein.

Die vier Patenbriefe sind schon rein optisch ein Hingucker. Das Briefpapier ist edel verziert oder geprägt, die damals 14-Jährigen schrieben in schöner gleichmäßiger Deutscher Schrift. Heute können nur noch wenige diese Schrift entziffern. Rehfuss hat sie noch in den ersten Jahren seiner Schulausbildung gelernt und kann daher – allerdings mühsam – entziffern, was die Konfirmanden um die Jahrhundertwende ihren Paten geschrieben haben.

Annamaria Ziegler, schreibt anlässlich ihrer Konfirmation am 2. April 1900: "Lieber Döte. Heute treibt mich Liebe, Dank und Pflicht vor euer Angesicht, da ich gemeinsam mit anderen Konfirmanden vor Gott konformiert werden soll. [...] Der heutige Tag macht mahnt mich daran, war ihr mir einst bei der Taufe zugetragen."

Das junge Mädchen beschließt seinen Brief mit "euer Dötlein" – ein Wort, dass heute nicht mehr gebraucht wird, oder gar vergessen ist.

Ein weiterer Brief ist auf den 3. März 1892 datiert und stammt aus der Feder einer Elisabeth Jetter, die in Engstlatt konfirmiert wurde.

An wen genau die Patenbriefe gerichtet waren, weiß der 83-Jährige nicht. Auch nicht, ob die Briefe jeweils an die gleich Person adressiert waren oder an verschiedene. Die Dokumente hat er aus einem Nachlass.

"Die Jüngeren hätten das vermutlich weggeworfen, ich hatte da irgendwie den richtigen Riecher dafür", meint der Hobbyhistoriker, der sich für die Bewahrung historischer Balinger Überbleibsel einsetzt – vor allem wenn die Zeitzeugen eines früheren Balingens älter sind als Waldemar Rehfuss selbst.