Machen sich stark für die Anliegen der sozial Schwachen (von links): Tina Daiker (Albstadt), Michaela Fechter (Sigmaringen), Margit Reinhardt (Balingen), Dekan Beatus Widman und Diana Schrade-Geckeler, Geschäftsführerin der Diakonischen Bezirksstelle Balingen. Foto: Ungureanu Foto: Schwarzwälder-Bote

Diakonie: Bezirksstelle Balingen macht in "Woche der Armut" auf Situation der sozial Schwachen aufmerksam

Zollernalbkreis. "Wir wollen das Bewusstsein wach halten, dass es nicht in Ordnung ist, dass es auch bei uns so viele Arme gibt", sagt Dekan Beatus Widmann. Unter dem Motto "Geht’s noch?" wolle die Diakonie in der "Woche der Armut" auf die Probleme dieser Menschen aufmerksam machen.

Es seien viele, die bei der Diakonischen Bezirksstelle mit Beratungsstellen in Balingen, Albstadt und Sigmaringen Rat und Hilfe suchen. "Wenn jemand am Ende ist und nicht mehr weiter weiß, kann er ohne Voranmeldung in die offene Sprechstunde kommen und bekommt schnelle Hilfe, sagt Diana Schrade-Geckeler, die Geschäftsführerin der Diakonischen Bezirksstelle Balingen. Sie verweist auf 900 Sozialberatungen im Jahr, hinzu kämen die Schuldnerberatungen: "Die Menschen kommen zu uns mit größeren oder kleineren Problemen, weil ihnen das Geld nicht mehr reicht." Die Schere zwischen Arm und Reich gehe immer weiter auseinander, "die sozial Schwachen geraten in Vergessenheit mit ihrer Lebenssituation".

Auch im Zollernalbkreis und im Kreis Sigmaringen gebe es viele Arme oder von Armut Bedrohte: "Außer dem Alltäglichen können sie sich nichts mehr leisten. Auch Kinder sind oft betroffen. Unser Ziel ist es, die Kinder aus sozial schwachen Familien teilhaben zu lassen."

Margit Reinhardt ist seit vielen Jahren mit diesen Menschen in Kontakt. 250 Klienten berate sie durchschnittlich im Jahr. Darunter seien auch viele, die seit Jahren kommen, und vermehrt auch Leute, die psychische Probleme hätten und deswegen nicht mehr am Arbeitsleben teilnehmen könnten. Derzeit versuche sie, einer jungen alleinerziehenden Frau zum Führerschein zu verhelfen. Um eine Ausbildung beginnen zu können, müsse die Frau aus einer Heuberg-Gemeinde täglich nach Rottweil fahren. "Mit dem Bus wäre sie anderthalb Stunden unterwegs, und eine Wohnung in der Stadt wäre für sie zu teuer." Ein Haushaltsvorstand, der Leistungen vom Jobcenter beziehe, bekomme 409 Euro im Monat zum Leben, "das Kindergeld wird angerechnet, und die Miete wird nur übernommen, wenn sie angemessen ist", sagt Reinhardt. "Angemessen" sei in Balingen eine Miete von 460 Euro pro Person. Hier gelte Mietstufe drei. In Hechingen bei Mietstufe vier sei "angemessen" etwas teurer. Tatsache sei, dass sich manch einer die Miete in der Stadt nicht mehr leisten könne.

Bezahlbaren Wohnraum gebe es auch in Sigmaringen nicht, weiß Michaela Fechter. Tina Daiker, die in Albstadt Schuldnerberatung anbietet, schildert einen normalen Fall: "Beide arbeiten, kaufen ein Haus, und das Geld reicht auf einmal nicht mehr. Sie müssen aufstocken, stehen mit dem Rücken zur Wand."

Aber längst nicht nur junge Familien sind betroffen, weiß Diana Schrade-Geckeler: Zwölf Prozent der Hilfesuchenden seien älter als 60. Die Gruppe der 25- bis 59-Jährigen mache 80 Prozent aus, und die restlichen acht Prozent seien jünger als 25.

Innerstädtisch werde viel gebaut, aber "alles im Hochpreisbereich", sagt Dekan Widmann: "Die Armut wird aus der Stadt hinausgedrängt und muss aufs Dorf." Da habe die Politik versagt. "Die Menschen helfen gerne, aber was nützt das gegenüber einer gesetzlich abgesicherten Politik?"

Oft sei nicht ein persönliches Versagen schuld, wenn das Geld plötzlich nicht mehr reiche, sondern es habe mit einer verfehlten Sozialpolitik zu tun: "Zwei Drittel der Menschen hier bei uns geht es gut. Beim restlichen Drittel kommt zur Armut auch noch das Gesundheitsrisiko dazu. Denn diese Menschen werden häufiger krank." Viele würden sich schämen und sich dafür entschuldigen, dass sie bei der Diakonie Hilfe suchen und einen Berechtigungsausweis für den Tafelladen und die Kleiderkammer brauchen: "Sie sagen, sie haben ein Leben lang hart gearbeitet, es muss irgendwie reichen."