Trotz massiver Beleidigungen wurde ein 69-Jähriger vom Amtsgericht Balingen freigesprochen - offenbar kann der Mann nicht anders. Foto: SB-Archiv

Für 69-Jährigen sind vor allem Amtsträger rotes Tuch. Laut Gutachter "seelische Abartigkeit".

Balingen - Obwohl er einschlägig vorbestraft ist und immer neue Beleidigungen ausstößt, hat das Balinger Amtsgericht gestern einen Rentner freigesprochen. Ein Gutachter hatte dem 69-Jährigen "seelische Abartigkeit" attestiert. Weil zumindest nicht auszuschließen sei, dass der Mann deshalb schuldunfähig ist, ließ die Richterin seine verbalen Attacken ungesühnt.

Bereits im September 2007 hatte der Rentner bei der Verabschiedung des damaligen Landrats Willi Fischer für Aufsehen gesorgt. Im Foyer der Stadthalle beschimpfte er den Direktor seiner Hausbank als "Schwein", drohte ihm Schläge an und wurde schließlich des Hauses verwiesen.

Immer wieder ist es seither zu solchen Zwischenfällen gekommen. Der Mann, der in einem Balinger Stadtteil lebt, ist mehrfach wegen Beleidigung und vorsätzlicher Körperverletzung vorbestraft. Geldstrafen zeigten keine Wirkung.

Wie er bestätigte, liegt er mit sämtlichen Parteien im Wohnhaus im Clinch und ist inzwischen sozial isoliert. Vor allem Amtsträger und Vertreter der Justiz scheinen ihm ein rotes Tuch zu sein. Das untermauerten die Anklage und der Verhandlungsverlauf.

Gleich drei Vorfälle beschäftigten das Gericht. Zum einen soll der Mann einen Nachbarn mit "Na, du Schwein" angesprochen haben. Außerdem betitelte er den Anwalt seiner Hausverwalterin, der Forderungen geltend machen wollte, in Briefen als "Betrügervertreter" und "altersrassistischen Schwaben-Advokaten". Auch zwei Polizisten ging er an. Als diese unweit der im Bau befindlichen Brücke Laufen Brummifahrer kontrollierten, spazierte der Rentner vorbei und beschimpfte einen der Beamten als "Schwabenbulle" und lästerte: "Ihr Schwaben seid zu blöd, eine Brücke zu bauen." Den Kollegen dging er mit den Worten an: "Ich will dir eine runterhauen, aber ich darf nicht."

Zumindest teilweise räumte der Rentner die Vorwürfe ein. Von Einsicht oder gar Reue war aber keine Spur. Vielmehr wittert er "Intrigen" gegen seine Person. Er werde "systematisch gepiesackt" mit dem Ziel, ihn aus seiner schwäbischen Wahl-Heimat zu vertreiben.

Wie seine Aussagen nahelegten, könnte eine herbe Enttäuschung in seinem früheren Berufsleben ursächlich für die schwere und wohl bereits Jahre andauernde wahnhafte Störung sein, die der sachverständige Arzt bei dem Mann ausgemacht hat. Der Rentner unterstelle "auf paranoide Weise" sämtlichen Personen, ihn zu benachteiligen. Er leide an Realitätsverlust und einer "querulatorischen Persönlichkeitsstörung" und zeige Symptome einer Schizophrenie. Eine "nachhaltige fachpsychologische Behandlung" sowie die Einnahme von Medikamenten seien dringend angezeigt.

Allein, an den Mann drang diese Empfehlung nicht heran. "Typisch Medizinmann", quittierte er die Angaben des Sachverständigen und brauste immer wieder auf; nicht ohne Grund waren während des gesamten Prozesses zwei Polizeibeamte im Raum. "Schäm dich" und "So ein Schnösel" rief er dem Staatsanwalt zu, der eine Freiheitsstrafe von drei Monaten zur Bewährung sowie eine Geldbuße von 500 Euro gefordert hatte. Die Richterin folgte jedoch der Freispruch-Forderung des Pflichtverteidigers. Zwar sei sie davon überzeugt, dass der Mann die Taten begangen habe. Doch dieser lebe "einfach in einer eigenen Welt" und habe seine Einsichtsfähigkeit und Steuerung verloren.