Ernst-Hermann hält eine Zange und Ohrmarken in der Hand – seinen Tieren würde er diese niemals einziehen. Landrat Pauli steht voll hinter dem Ostdorfer Rinderflüsterer. Foto: Ungureanu

Bund und Land sehen Ausnahmegenehmigung für Landwirt jedoch als rechtswidrig an. Günther-Martin Pauli ist empört. 

Balingen - Im Ohrmarkenstreit ist kein Ende in Sicht: EU, Bund und Land bestehen darauf, dass der Ostdorfer Bio-Landwirt Ernst Hermann Maier seinen rund 270 Rindern Ohrmarken verpassen soll. Aber Maier benutzt elektronische Chips und beruft sich auf eine von Landrat Günther-Martin Pauli erteilte Ausnahmegenehmigung.

Diese sei rechtswidrig und sofort zurückzunehmen, heißt es von Seiten von EU, Bund und Land. Zuletzt haben es Landrat und Landwirt aus dem Mund von Landwirtschaftsminister Alexander Bonde (Grüne) bei dessen Besuch in Balingen zu hören bekommen (wir berichteten).

Er gehe davon aus, dass es eine Reihe von Ausnahmetatbeständen gebe, die in der Diskussion gar nicht berücksichtigt worden seien, kontert der Landrat im Gespräch mit unserer Zeitung. Der Gesetzgeber könne niemals bis in die "letzte Verästelung" alles regeln. Minister Bonde habe bei der Diskussion in Balingen "nur runtergespult, was ihm davor eingetrichtert wurde".

In einem Punkt sieht sich Pauli – selbst Jurist – auf der sicheren Seite: In der besagten EU-Vorgabe wird auch die Möglichkeit eingeräumt, Ausnahmegenehmigungen zu erteilen. Das sei bisher zu eng ausgelegt worden, sagt er: Allein Zootiere und Stiere, die für Stierkämpfe gehalten werden, seien von der Regelung ausgenommen. "Ich finde, der Herr Maier ist mit seinem Betrieb auch ausnahmewürdig." Das Ziel sei bei Maiers Uria-Rindern erreicht, nur der Buchstabe des Gesetzes sei anders ausgelegt. Mit anderen Worten: Die Herkunft der Tiere könne nahtlos zurückverfolgt werden.

Sein Vorschlag wäre gewesen, sich mit allen Seiten zusammenzusetzen und eine Möglichkeit zu suchen, "wie wir das EU-konform regeln können". Jetzt sei allerdings angekündigt worden, dass im Zweifelsfall "von oben nach unten hereinregiert" werde. Pauli stinkt es, dass "vom grünen Tisch aus" versucht werde, die Untere Verwaltungsbehörde auszuhebeln. Völlig absurd, findet er: "Denen muss es langweilig sein, dass sie so dran rumrühren." Seiner Ansicht nach hätte man "den Ball eher flach halten sollen", denn "so weiß man nicht mehr, wo er landet".

Letztlich könne man durch die Vorgehensweise auch eine gute Sache, sprich, den renommierten Uria-Hof von Ernst Hermann Maier, kaputtmachen. "Die Sache stinkt gewaltig", echauffiert sich der Landrat. "Wahrscheinlich hat die Plastikmarkenlobby die Finger im Spiel, jedenfalls ist es sehr ärgerlich." Wie genau das dann auf dem Ostdorfer Hof von Ernst Hermann Maier ablaufen soll, ist für Pauli schleierhaft: "Ich bezweifle, dass die Herren von Bund und Land etwas Sinnvolles hinkriegen."

Derweil pocht Maier auf seine Ausnahmegenehmigung. Der zufolge darf er seit 14 Jahren seine frei lebende Uria-Herde mit elektronischen Chips kennzeichnen. Der Ostdorfer Landwirt, auch als Rinderflüsterer bekannt, ist überzeugt: Chips sind für die Tiere weniger schmerzhaft und im Gegensatz zu den Ohrmarken sicher. Vor allem fälschungssicherer. Denn um Letzteres geht es seit dem BSE-Skandal hauptsächlich: die Herkunft der Tiere zurückverfolgen zu können. Übrigens: Die Tiere werden gar nicht europaweit vermarktet und in irgendwelchen Schlachthäusern verarbeitet. Im Gegenteil: Maier schlachtet daheim auf der Weide.

Dem Landrat fällt in dem Zusammenhang ein absurder Vergleich ein: "Man kann eine Ampel auf Rot stehen lassen. Das ist sehr sicher. Es passiert kein Unfall. Aber es gibt auch keinen Verkehr."