Humor ist hier ein Zeichen des Widerstands hinter dem Stacheldrahtzaun: Der "Chef" Hemmer (oder "HEMA") hat Schwein, und der Kontakt zur Außenwelt ist durch einen Radioapparat gegeben. Glückwunschkarte der holländischen Gefangenen im A2-Format (Aquarell und Tusche). Foto: Schwarzwälder-Bote

KZ-Gedenkstätte Hailfingen-Tailfingen veröffentlicht Porträts und Glückwunschkarten aus ehemaligem KZ Erzingen

Von Gert Ungureanu

Balingen-Erzingen. Erinnerungen an das KZ Erzingen hat der Verein KZ-Gedenkstätte Hailfingen-Tailfingen in Heft 3 seiner Schriftenreihe veröffentlicht: Zeichnungen und Glückwunschkarten, die zwischen August 1944 und Februar 1945 entstanden sind.

Warum ein KZ und ein "Russenlager" in dem kleinen Balinger Stadtteil? Im begleitenden Textteil erinnert das 56 Seiten starke Heft an das "Unternehmen Wüste", den irrwitzigen Plan, aus Ölschiefer Treibstoff für die NS-Kriegsmaschine zu gewinnen: zehn Werke, sieben Konzentrationslager zwischen Dußlingen und Schömberg, 12 000 Häftlinge aus allen Nationen, mehr als 3500 Tote innerhalb von einem knappen Jahr.

Es sind kleine Kunstwerke gegen das Vergessen, Zeichen der Freundschaft und der Hoffnung, die Immo Opfermann vom Verein "Gedenkstätte Eckerwald" und vom neuen Projekt "Erinnerung Wüste Balingen" in diesem farbig bebilderten Heft zusammengestellt hat.

"Die Freiheit kommt zurück", heißt es auf einer Karte, die die französischen Häftlinge dem holländischen Mitgefangenen Bernard Hemmer zum 37. Geburtstag geschrieben und gezeichnet haben. "Die ganze Küche freut sich und gratuliert Jan", heißt es auf einer Glückwunschkarte an den Lagerältesten Jan Albertus Cleton.

Die hoffnungsvollen Worte "Hier im Schatten – dort im Lichte" stehen auf einer Dankeskarte an Ingeborg Ziebarth, die als Fotografin im Zeichenbüro tätig war und die archäologischen Funde aus der Alamannenzeit dokumentieren musste. Zeichnungen und ein Lageplan der KZ-Baracken, Porträts von Mithäftlingen und eine Alegorie auf den Tod, die Julien Lievevrouw 1944 mit dem lateinischen Spruch "homo homini lupus" ("der Mensch dem Menschen ein Wolf") versehen hat, aber auch Karikaturen und Komisches als Form des geistigen Widerstands ergänzen die Reihe der kleinen Kunstwerke.

Geburtstagskarten und Porträts in solcher Fülle erwartet man in einem Konzentrationslager kaum. Aber der Zufall wollte es, dass ausgerechnet in Erzingen bei den Erdarbeiten für die "Wüste"-Werke 4 und 5 Alamannengräber entdeckt wurden. Oswald Pohl, einer der Gesellschafter der "SS-Schieferöl", ließ den SS-Wehrgeologen Wilhelm Jordan aus der Ukraine nach Erzingen verlegen, um die Fundstücke zu sichten, zu untersuchen und zeichnen zu lassen. Für Letzteres wurden Gefangene eingesetzt: der Stadtarchitekt von Gent, Julien Lievevrouw, und der jüdische Mathematiker Isaak Warschup aus Wilna, der eigens aus dem KZ Dautmergen angefordert worden war.

Weitere Informationen: www.kz-gedenkstaette-hail fingen-tailfingen.de Gedenkstätte, Hauptstraße 39, Gäufelden-Tailfingen