"Hurra, es ist die Barbara Blarer!" Bei den Vorbereitungen auf die VHS-Führung zum Thema Reformation stieß Ingrid Helber auf eine kleine Sensation. Der Reformator Ambrosius Blarer, Star seiner Zeit, hatte Verwandtschaft in Balingen. Und war wohl auch mal ganz privat zu Besuch bei der Nichte im Zollernschloss. Foto: Thiercy Foto: Schwarzwälder-Bote

Stadtführung: Ingrid Helber offenbart neue Erkenntnisse während des Rundgangs zur Reformation in Balingen

Wenn sie erzählt, wird Geschichte lebendig: Ingrid Helber hat am Samstag zwei Gruppen durch Balingen geführt – auf den Spuren der Reformation und eines bislang verborgenen Familiengeheimnisses.

Balingen. Den Namen Ambrosius Blarer mag der eine oder andere schon gehört haben. Der Konstanzer Reformator sorgte dafür, dass auch in Balingen eine neue Zeit anbrach. Dass der Theologe sogar Verwandtschaft in Balingen hatte, ist eine komplett neue Entdeckung, auf die Ingrid Helber bei ihren Recherchen für die 20. thematische Stadtführung stieß. Die Landesgeschichte dürfte sich freuen.

Organisiert werden die Führungen über die Volkshochschule, unter anderem von Brunhilde Haid. Längst zieht es viele alte Hasen zu den Rundgängen durch die Heimatstadt, wenn Helber erzählt. Seit 25 Jahren forscht sie über Balingen, bereitet sich viele Wochen auf die Führungen vor.

Dorle Himmer ist "Stammkundin" und begeistert, dass die Historikerin immer wieder neue Themen aufgreift. Und Geheimnisse entdeckt. Wie den vergessenen Theologen Gregor Reisch. Der verfasste um 1500 einen regelrechten Wälzer, in dem Lehrer und Schüler wie in einem Dialog die Fragen der Zeit aufgriffen. Das Werk des Balingers war zu seiner Zeit das Standardwerk an den Universitäten.

Ingrid Helber erzählt lebendig und mit viel Humor. So fasst sie einen Teil von Luthers Thesen etwa so zusammen: der Ablaßhandel, also das Erlassen der Sünden gegen die Zahlung teils saftiger Geldbeträge, diente zur Finanzierung des Petersdoms in Rom. "Darüber hat der Luther sich total aufgeregt."

Mit Herzog Ulrich kam 1534 die Reformation nach Balingen. "Die Obrigkeit hat nicht gerade Hurra geschrien", so Helber. Es waren die kleinen Leute, die mit den Thesen etwas anfangen konnten. Überzeugungsarbeit leisteten Reformatoren, die durch die Lande reisten. Wie Ambrosius Blarer aus Konstanz. Dessen Familiengeschichte hat ein neues Puzzleteil bekommen, nachdem Ingrid Helber in der Friedhofskirche, Startpunkt der Führung, mal ganz genau hingeschaut hatte. Dabei stieß sie an einer Gedenktafel und einem Grabstein auf eine kleine Sensation.

Blarer hatte mehrere Schwestern. Eine blieb ledig, studierte Griechisch. Damals ein Skandal. Eine andere, Barbara, heiratete einen Adligen. Dass es sich bei dem Gatten um ein Mitglied der Familie Scher von Schwarzenburg mit Sitz im Zollernschloss handelte, wusste bis dato niemand. Über die Verbindung mit dem Grabstein und den Namen des Geschlechtes derer zu Ryff gelangte die Forscherin zu einer Barbara. "Und hurra, es ist die Barbara Blarer!" Man könne sich also gut vorstellen, so Helber, dass einer der berühmtesten Männer seiner Zeit dann und wann zum Familienbesuch ins heutige Balinger Wahrzeichen reiste. Damals wie heute eine Sensation, die nur durch das Zusammenfügen tausender Puzzlesteine und jahrelanger Recherche ans Tageslicht gelangte. Die 36 Teilnehmer der Führungen waren die ersten, die es erfuhren.