"Rain Man" in der Stadthalle / Rufus Beck und Karl Walter Sprungala interpretieren Roadmovie auf der Bühne

Von Julia Klebitz

Balingen. Charlie, gespielt von Rufus Beck, ist arrogant, geldgeil und scheinbar skrupellos. Er entführt sogar seinen behinderten Bruder, um an dessen Geld zu kommen. Doch "Rain Man" ist in der Stadthalle in der letzten Adventswoche genau richtig terminiert.

Denn irgendwie ist es auch eine Weihnachtsgeschichte – das Stück über Charlie Babbitt und seinen Bruder Raymond "Rain Man" (Karl Walter Sprungala), den "Idioten", der nur im Staccato spricht, bei dem um 23 Uhr das Licht ausgehen muss und der sein Namensschild in der Unterhose liebt; der schnell in Stress gerät aber überdurchschnittlich intelligent und nahezu genial ist.

Wenige Kulissen reichen für Reise aus

Dan Gordons "Rain Man", in der Stuttgarter Version inszeniert von Manfred Langner, ist eine Adaption des gleichnamigen, vielbeachteten Films über die Krankheit Autismus von Regisseur Barry Levinson aus dem Jahr 1988.

Zur Herausforderung, einen erfolgreichen Film überzeugend auf die Theaterbühne zu bringen, kommt in diesem Fall noch eine weitere: "Rain Man" in der Filmversion ist ein Roadmovie.

Beide zu meistern, gelingt dem Tournee-Theater Thespiskarren und dem Alten Schauspielhaus Stuttgart hervorragend. Besonders Beck und Sprungala beweisen, dass wenige Kulissen und nur eine handvoll Schauplätze ausreichen, um eine ereignisreiche Reise darzustellen – vorausgesetzt die Schauspieler füllen wie sie ihre Rollen in einer Form aus, die Nebenhandlungen und imposante Bühnenbilder entbehrlich macht.

Die eigentliche Reise steckt ohnehin in der Entwicklung von Charlie: Anfangs karrierebewusst, Beck fuchtelt im Businessdress eindrucksvoll mit seinem Handy, geldgeil, er entführt den Bruder, dem der Vater das gesamte Erbe hinterlassen hat, aus der Klinik und wenig emotional, entwickelt er sich zu einem einfühlsamen Menschen, der erstmals eine echte Beziehung aufbaut – nämlich die zu eben jenem "Idioten", dem zu Beginn sein ganzer Hass galt.

Diese "Menschwerdung", wie Rufus Beck selbst die Besonderheit seiner Rolle beschreibt, macht "Rain Man" in einer gewissen Form tatsächlich weihnachtlich. Betont sie doch eindrücklich die Bedeutsamkeit echter Gefühle. Mit "Rain Man" zeigt das Ensemble aber auch, dass ein ernstes und sensibles Thema, wie die Krankheit Autismus zwar mit dem nötigen Feingefühl, aber dennoch unterhaltsam und ohne großes Pathos schauspielerisch umgesetzt werden kann.

Irritierend ist lediglich die Werbung für einen Tablet-PC, die Beck auf der Bühne macht. Auch ohne sie hätten Gordon und Langner bewiesen, dass sie aus großem 80er-Jahre-Kino großes, aktuelles Theater schaffen können.