Künstlerischer Leiter spricht über das Balinger Stromkasten-Projekt / Vernissage am Sonntag auf dem Marktplatz

Balingen. Großes Projekt – und Experiment: Künstler aller Altersgruppen haben in Balingen 41 Stromkästen gestaltet, haben gemalt, gesprüht, gezeichnet. Am Sonntag findet die Vernissage des sozialen Kunstwerks statt, durch das Balingen ein gutes Stück freundlicher werden soll. Wir haben mit Michl Brenner, einem der künstlerischen Leiter des Projekts, über die Idee dahinter, das Ergebnis und den wahrscheinlich freundlichsten aller Balinger gesprochen.

Herr Brenner, wie kamen sie auf die Idee für das Projekt "Freundliches Balingen"?

Nun, das war zunächst einmal eine von vielen Ideen, die man als Künstler so hat (lacht). Und es ist eine gute, wie ich finde: Freundlichkeit ist heute wichtiger denn je, sie hilft Menschen, sie macht die Welt angenehmer, besser, auch besser erträglich, sie stellt sich dem allgegenwärtigen Egoismus entgegen. Wer freundlich ist, zeigt, dass er sein Gegenüber, seine Mitmenschen wahrnimmt und wertschätzt. Mit Freundlichkeit lebt es sich einfach besser.

Und was hat das jetzt genau mit Stromkästen zu tun?

Ganz einfach: Die Stromkästen, die in den vergangenen Wochen gestaltet wurden, sind allesamt Zeichen. Sie sollen die Leute auf das Projekt aufmerksam machen, sie sollen vor allem aber dazu anhalten, freundlich zu sein. Die Idee, dass Stromkästen gestaltet werden könnten, kam übrigens von Streetworkerin Nadine Hempke. Und so hat sich vieles verbunden, von der Idee über die Vermittlung durch die Initiative "Freiraum" bis hin zur Bereitschaft der Stadtwerke, die Kästen dafür zur Verfügung zu stellen – und das mit jetzt schon deutlich wahrnehmbaren Effekten: Junge Leute hatten beispielsweise die Chance, mitten in der Stadt ganz legal ihre Ideen künstlerisch zu verwirklichen, und zusammen haben die etwa 40 Beteiligten etwas Gemeinsames geschaffen, ein soziales Kunstwerk.

Wie bewerten Sie das Ergebnis?

Ich finde es gut. Matze Bartl und ich haben zusammen die Künstler ausgewählt, Vorgaben gab es keine. Was ich sehe ist, dass an vielen Stellen die Innenstadt bunter geworden ist. Viele Beteiligte haben positive Rückmeldungen bekommen, als sie an ihren Kästen gearbeitet haben. Klar: Es gibt immer auch Kritiker. Einzelne Kästen sind sicher provozierend – aber genau das soll, das muss Kunst. Ich sehe das positiv: Die Leute nehmen durch die gestalteten Stromkästen die Stadt bewusster wahr als bisher.

Das Projekt soll erklärtermaßen in den nächsten Jahren fortgeführt werden. Wie genau?

Da ist vieles denkbar. Zum einen gibt es noch viele Stromkästen im ganzen Stadtgebiet, die gestaltet werden können. Gleichzeitig ist jeder eingeladen, die Idee "Freundliches Balingen" auf seine Weise aufzugreifen und fortzuführen. Da genügt oft ein Lächeln. Balingen ist ja schon heute eine freundliche Stadt, darauf kann man aufbauen. Und an der Spitze steht ein Mann, der gezeigt hat, dass man mit Freundlichkeit weiter kommt: Oberbürgermeister Helmut Reitemann. Ich meine das gar nicht ironisch, ganz im Gegenteil: Er nimmt jeden wahr, schüttelt gerne Hände, er ist freundlich zu jedermann. Das hat ihm wohl auch bei der Wahl im Frühjahr geholfen, das zeigt aber eben auch den Respekt, den er vor den Menschen hat. So gesehen ist er der ideale Botschafter für die Idee der Freundlichkeit in Balingen.

u  Fragen: Steffen Maier

Die Vernissage zum Kunstprojekt "Freundliches Balingen" findet am Sonntag, 28. Juni, statt. Beginn ist um 11 Uhr auf dem Marktplatz, von dort aus ist ein Rundgang zu einzelnen Kästen geplant. Die Stadtwerke Balingen, die das Projekt unterstützen, geben dazu einen eigens gestalteten Flyer heraus, auf dem die Standorte aller Kunst-Kästen verzeichnet sind.