Wieder getrennt: Heidrun (vorn) und Andreas Anschlag wurden im Juli 2013 wegen Agententätigkeit zu Haftstrafen verurteilt. Die Frau hat Deutschland nun in Richtung Moskau verlassen. Ihr Mann bleibt weiter in Haft. Foto: Mura

Frau über 20 Jahre als Agentin tätig. Hat Moskau für Freilassung gezahlt? Ehemann sitzt weiterhin in Haft.

Balingen/Moskau - Über 20 Jahre lang war sie mit ihrem Ehemann von Balingen aus für Russland als Agentin tätig, wurde verurteilt – und ist nun frei: Heidrun Anschlag ist offenbar von Moskau freigekauft worden. Das berichtet "Der Spiegel".

Die Frau wurde demnach in der vorvergangenen Woche aus der Haft entlassen und postwendend ausgewiesen. Dabei, so das Nachrichtenmagazin "Der Spiegel", dürfte die Agentin des russischen Auslandsgeheimdienstes SWR Hilfe aus Moskau zuteil geworden sein: Um freizukommen, musste sie ungefähr eine halbe Million Euro bezahlen. Das hatte das Oberlandesgericht Stuttgart ihr und ihrem ebenfalls verurteilten Mann gesamtschuldnerisch auferlegt. Die Summe entspricht dem geschätzten Agentenlohn der beiden. Hinzu kommen Prozesskosten.

In Sicherheitskreisen hieß es, es sei "nicht anders vorstellbar", als dass Moskau das Geld zur Verfügung gestellt habe. Dass die Anschlags ihr Privatvermögen dafür eingesetzt haben, wird als unwahrscheinlich angesehen. Die Frau konnte nun ausgewiesen werden, da sie mehr als die Hälfte ihrer Freiheitsstrafe von fünfeinhalb Jahren verbüßt hat. Ihr Mann, der zu sechseinhalb Jahren Haft verurteilt wurde, sitzt noch im Gefängnis.

Andreas und Heidrun Anschlag hatten mehr als 20 Jahre in Deutschland spioniert. Auf die Spur der beiden Agenten kamen die Ermittler im Jahr 2011. Beamte der Anti-Terror-Einheit GSG9 hatten die Wohnungen des Paares in Balingen-Frommern und im hessischen Marburg durchsucht. Als die Elitepolizisten das Marburger Haus stürmten, saß Heidrun Anschlag gerade vor dem Funkgerät und kommunizierte mit Russland. Fast zeitgleich wurde auch ihr Mann festgenommen.

Wahre Identität des Duos ist selbst dem Gericht nicht bekannt

Tipps, unter anderem aus den USA, hatten die Ermittler auf ihre Fährte gebracht. Die beiden sollen unter den Decknamen "Pit" und "Tina" für den russischen Auslandsgeheimdienst tätig gewesen sein. Andreas Anschlag war in Balingen bei einem Automobilzulieferer tätig.

Das Oberlandesgericht Stuttgart hatte die Eheleute wegen geheimdienstlicher Agententätigkeit verurteilt. Heidrun und Andreas Anschlag hatten österreichische Pässe, die wahre Identität kannte selbst das Gericht nicht. Nach Überzeugung des Strafsenats hatten sie hunderte Dokumente zur Europäischen Union und der Nato an den russischen Geheimdienst SWR geliefert. Über USB-Sticks, die das Duo in Erdlöchern versteckte, und geheime Botschaften in Kommentaren zu Youtube-Videos, übermittelten die beiden ihre Informationen. Die Papiere stammten von einem Maulwurf aus dem niederländischen Außenministerium. Es war der erste nachweisbare Fall russischer Agententätigkeit in Deutschland seit dem Mauerfall im Jahr 1989.