Alexander Bloch Foto: Privat Foto: Schwarzwälder-Bote

Am Viehmarktplatz praktizierte bis zu seiner Flucht vor den Nazis der jüdische Arzt Alexander Bloch

Balingen. Am Viehmarktplatz in Balingen hat in dieser Woche der Abriss eines Gebäudes begonnen, in dem, daran erinnern sich wohl die meisten, bis vor wenigen Jahren diverse Gastronomiebetriebe eingerichtet waren. Das aber zugleich auch der Ort einer besonderen Geschichte war – und damit ein symbolträchtiges Haus. Ein Bagger hat am Freitag damit begonnen, das Haus Nummer 2 an der Ebertstraße abzureißen. Entstehen wird in den nächsten Monaten ein modernes Wohn- und Geschäftshaus. Zuletzt war dort der "Kleine Treff", davor der "Erdbeermund", früher das "Astor". Das ist die gastronomische Geschichte des Gebäudes. Doch es gibt noch einen ganz anderen Aspekt: In dem Haus lebte und praktizierte bis zu seiner Vertreibung durch die Nationalsozialisten im Jahr 1937 der jüdische Arzt Alexander Bloch.

Bloch, der 1877 in Kirchen im heutigen Kreis Lörrach geboren wurde, war im Jahr 1919 nach Balingen gekommen. Zuvor hatte er als preußischer Stabsarzt im ersten Weltkrieg gedient. In ihrem Buch "Balingen 1918 – 1948" beschreibt Margarete Steinhart die wenigen damals in Balingen lebenden Juden, darunter Bloch, anhand von Zeitzeugenaussagen als "unorthodoxe und vollständig eingegliederte Mitglieder" der Balinger Gesellschaft, zudem als gemeinnützig und menschenfreundlich.

Alexander Bloch war als besonders sozial eingestellter Mensch bekannt. Bei ärmeren Arbeiterfamilien etwa soll er, was die Bezahlung seiner ärztlichen Tätigkeit anging, nicht besonders pedantisch gewesen sein. Und unter den Kindern der Nachbarschaft war er als "Schokoladenonkel" bekannt.

Im Lauf der 1920er-Jahre, spätestens aber mit der Machtergreifung durch die Nationalsozialisten wurden die Juden in Balingen, darunter auch Alexander Bloch, zunehmend diffamiert, diskriminiert und verfolgt: Nach einer Anordnung der Parteileitung der NSDAP vom März 1933, wonach jüdische Geschäfte, Ärzte und Anwälte fortan geplant boykottiert werden sollten, wurde auch das Leben Blochs in Balingen buchstäblich zur Hölle. Uniformierte Braunhemden, schreibt Margarete Steinhart, hielten vor seiner Praxis mit der Hakenkreuzstandarte Wachen ab. In seinem Stammcafé, wo Bloch jahrelang ein- und ausgegangen war, stand auf seinem angestammten Tisch eines Tages ein Schild, wonach Juden hier nun unerwünscht seien.

Bloch wurde dadurch die wirtschaftliche Existenz zunehmend entzogen, die Patienten blieben immer mehr aus. Und sozial wurde der zuvor angesehene Mitbürger von den Balingern, die laut Reinhart in ihrer Mehrheit nun judenfeindlich eingestellt gewesen seien, immer stärker isoliert und vom gesellschaftlichen Leben ausgeschlossen.

Für die Juden blieb als einziger Ausweg die Emigration, was sie als zuvor eigentlich vollständig integrierte Mitglieder der Stadtgesellschaft aber eigentlich nicht wollten. Bloch zögerte den schweren Schritt der Flucht lange hinaus, und das, obwohl er sich in Balingen seiner Gesundheit, seines Lebens nicht mehr sicher war: Sein Haus an der Ebertstraße verließ er oft nur noch im Schutz der Dunkelheit.

Zu Beginn des Jahres 1937 entschloss er sich dann doch zur Emigration in die Schweiz, da er, wie er in Briefen schrieb, mit seiner "seelischen Widerstandskraft am Ende" sei. Er gebe seine Praxis auf, "der Not gehorchend, nicht dem eigenen Triebe".

Die Flucht Blochs in die Schweiz verlief überstürzt

Die Flucht Blochs in die Schweiz verlief ungeplant, überstürzt: Insbesondere hatte er seine Angelegenheiten in Balingen nicht mehr regeln können. Bloch, der zeitlebens ledig blieb und in bescheidenen Verhältnissen lebte, hatte sich im Lauf der Jahre einen kleinen Betrag zusammengespart und am Rande der Balinger Innenstadt – an der heutigen Geislinger Straße – ein Haus gekauft, das er von einem Rechtsanwalt verwalten ließ – was dem Anwalt aber durch die Nationalsozialisten verboten wurde. Sie durften keine jüdischen Klienten mehr vertreten. Im Februar 1941 wurde das Blochsche Vermögen durch die Geheime Staatspolizei sichergestellt; die Beschlagnahmung und Enteignung wurde erst im Jahr 1950 rückgängig gemacht.

Der Balinger NSDAP-Kreisleiter Lüdemann hatte bereits im November 1938 in einer Rede bemerkt, dass "die Judenfrage im Kreis Balingen vorbildlich gelöst" worden sei. Bloch, der die Geschehnisse in Deutschland und insbesondere in Balingen aus dem Exil mitverfolgte, schrieb im Oktober 1941 in einem weiteren Brief: "Man geht seelisch zugrunde, wenn man feststellen muss, wie tief die Menschheit gesunken ist."

Besonders bitter für Bloch: Im Schweizer Exil, zunächst in Basel und dann im benachbarten Riehen unweit der Grenze zu Deutschland, durfte er wegen der fremdenpolizeilichen Vorschriften keiner Erwerbstätigkeit nachgehen, konnte also nicht mehr länger als Arzt praktizieren. Ohnehin war, wie das Staatsarchiv des Kantons Basel-Stadt auf eine Anfrage des Balinger Stadtarchivars Hans Schimpf-Reinhardt im November 2003 schrieb, Blochs Gesundheit nach der Flucht so schwer beeinträchtigt, dass er seinem Beruf gar nicht mehr hätte nachgehen können. In der Schweiz lebte Alexander Bloch bis zu seinem Tod im Oktober 1959 ein ruhiges und wohl zurückgezogenes Leben.