Zum schwäbisch-badischen Kochduell im Hotel Sackmann in Schwarzenberg zogen die Autoren Matthias Kehle und Tino Berlin (rechts) mit der badischen Fahne ein und wurden von jungen Kochgehilfinnen begrüßt. Archiv-Foto: Braun Foto: Schwarzwälder-Bote

Das Buch "Ohne Geld durch Schwaben" von Tino Berlin und Matthias Kehle ist Reportage, Reiseführer und Geschichtswerk in einem

Von Gerhard Keck

Region. Na also: Die Schwaben sind gar nicht so, wie ihnen oft nachgesagt wird: Geizkrägen, Pfennigfuchser, auf ihren Vorteil bedacht. Im Gegenteil – die badischen Tester Tino Berlin und Matthias Kehle bescheinigen den Bindestrich-Landsleuten, von Ausnahmen abgesehen, Großzügigkeit und Mitgefühl.

Keinen Tag hätten die beiden Schwaben-Tester hungern müssen, und durchweg öffnete sich ihnen auf ihrer Tour ein Türchen, hinter dem sie ihr müdes Haupt betten konnten. Müde übrigens eher von opulenten Speisen und Wein im Überfluss als von anstrengenden Wandertouren.

Was im Frühjahr von Printmedien, Rundfunk und Fernsehen begierig aufgegriffen wurde, lässt sich jetzt in dem angekündigten Buch "Ohne Geld durch Schwaben" nachlesen. Berlin und Kehle, Autoren aus Ettlingen beziehungsweise Karlsruhe, machten sich (wir berichteten) auf die Socken, um die Württemberger 18 Tage lang auf ihre Tugenden hin zu überprüfen.

Dass sie vollkommen mittellos unterwegs gewesen seien, stimmt übrigens nicht. Ein sorgsam gehüteter Notgroschen, von einem mitfühlenden Sympathisanten zwischendurch aufgestockt, enthob sie der Gefahr eines drohenden völligen existen-ziellen Absturzes. Zudem standen Sponsoren Schlange, auch in der Gewissheit oder zumindest mit Aussicht auf lobende Erwähnung.

Noch in der Heimat ausgestattet wie Olympioniken vor ihrem großen Auftritt, begeben sie sich auf ihrer ersten Etappe von Karlsruhe nach Wangen im Allgäu. Die Rucksäcke enthalten nur das Nötigste. Eine badische Fahne und eine Tasse, die das Badener Lied abspielt, führen die beiden Schwabentrotter als Insignien ihrer Zugehörigkeit zudem mit sich. Ihr Sprüchlein, als Sesam-öffne-dich-Code eingeplant, lautet lapidar: "Wir sind zwei Badener und ohne Geld unterwegs. Würden Sie uns eventuell einladen?"

Zunächst Verblüffung ob der Dreistigkeit, Anteilnahme am schweren Schicksal und Gelegenheit zu tätiger Nächstenliebe: So lassen sich die Reaktionen der Angesprochenen zusammenfassen. Für Irritationen bei den Angesprochenen sorgt schließlich die Tatsache, dass angeblich Mittellose einer Nobelkarosse entsteigen. Ein Stuttgarter Automo-bilkonzern hat den Testern das Fahrzeug für ein paar Tage kostenlos überlassen. Ein Zeugnis schwäbischer Schlagfertigkeit legt eine Serviererin ab: Kehles Hinweis, sie hätten kein Geld, kontert sie mit: "Da sind wir schon zu zweit" und nimmt unbeeindruckt die Bestellung auf.

Weder müssen die Tester auf Baustellen in zugigen Kanalröhren noch auf der feuchten Wiese unter dem Sternenzelt nächtigen. Meistens sind die Schlafgelegenheiten ausgesucht und geradezu himmlisch: im Pulvertum in Wangen, im Turmzimmer im "kleinsten Schlosshotel" in Neufra, im Kloster zu Bad Wimpfen oder in der Schlaflandschaft des Bettenhauses SchwarZ in Pfalzgrafenweiler.

Was den beiden vor Antritt ihrer Reise prophezeit worden war – "Ihr werdet auf Händen getragen und mindestens drei Kilo schwerer nach Hause kommen" – ist in letzter Konsequenz nicht belegt. Sicher ist jedenfalls, dass sie auf ihren zahlreichen Begegnungen und Einladungen die Segnungen der schwäbischen Küche bis zum Abwinken erfahren durften. Nach dem Küchenduell zwischen Baden und Württemberg, ausgetragen im Baiersbronner Hotel Sackmann, fühlen sich Kehle und Berlin angesichts der ihnen bereits an dem Tag gewährten Vergünstigungen zu geschafft, um auch noch das Abendessen genießen zu können.

Ausgerechnet in Tübingen, der Wiege des schwäbischen Geisteslebens, erleben die Schwabentester in mehrfacher Hinsicht ein Fiasko, das in der Empörung einer Hotelbesitzerin gipfelt. In Verkennung des "völkerverbindenden Projekts" der beiden Badener reagiert sie mit einer Schimpfkanonade, die auszugsweise zitiert sei: "Erscht komme Jakobspilger, dann Sie Schnorrer!" Auch wenn der Triumphzug wie seinerzeit bei den römischen Cäsaren anlässlich der Heimkehr nicht zustande kommt – es gibt keine Jubelchöre und keine badische Fahnen schwenkenden Lokalpatrioten – hat sich bei Tino Berlin und Matthias Kehle die Überzeugung durchgesetzt: "Für die badisch-schwäbische Völkerverständigung war die Reise ein voller Erfolg gewesen."

Das Buch ist Reportage, Reise- und Kulturführer sowie Geschichtswerk zugleich. Es bietet eine Menge Tipps und ist reich bebildert. Die beiden Autoren lassen im Plauderton mit einer gehörigen Portion Selbstironie das Publikum an ihren Erfahrungen teilhaben. Dies macht das relativ schmale Werk zu einem echten Lesererlebnis.

das buch: Tino Berlin und Matthias Kehle, Ohne Geld durch Schwaben. Zwei Badener testen die Württemberger, Silberburg-Verlag Tübingen und Karlsruhe 2014. 176 Seiten kartoniert. 14,90 Euro