Mythos Obertal: Im Gasthof Blume haben sich die Weltmeister von 1954 vorbereitet / Mannschaftsbus kommt zur Baiersbronn Classic

Von Kevin Schuon

Baiersbronn-Obertal. Er kommt wieder zurück nach Baiersbronn: der Bus, der 1954 die legendäre Weltmeister-Mannschaft vom "Wunder von Bern" zur Turniervorbereitung nach Obertal gebracht hat.

60 Jahre ist es her, dass der Bus – ein blau-weißer Mercedes Benz O 3500 vom Typ Auwärter, Baujahr 1950 – das letzte Mal durch die Straßen von Baiersbronn gefahren ist. Damals hatte er eine kostbare Fracht an Bord. Die späteren WM-Helden des "Wunders von Bern" – die Weltmeister von 1954 um Sepp Herberger, und Fritz Walter. Fünf Tage lang fuhr er die deutsche Nationalmannschaft durch den Schwarzwald. Nun kehrt er zur Oldtimer-Rallye Baiersbronn Classic zurück nach Obertal. Auch heute noch sehr gut in Schuss, bringt er am 27. September die Mitglieder des Württembergischen Automobilclubs (WAC), dem ältesten Automobilclub der Welt, dorthin, wo sich im April 1954 die künftigen Weltmeister auf das Turnier in der Schweiz vorbereiteten: in den Gasthof Blume nach Buhlbach.

Damals war die deutsche Nationalmannschaft für fünf Tage in der "Blume" zu Gast. In der Gästestube erinnern viele Erinnerungsstücke an diesen Aufenthalt. Die Familie ist stolz auf die Vergangenheit ihres Betriebs – zu Recht. Denn es ist ein Mythos um die idyllische Vorbereitung in Buhlbach entstanden. Dieser besagt, dass das "Wunder von Bern" ohne diese Zeit nicht möglich gewesen wäre.

Der Sinn damals war nicht der eines modernen Trainingslagers, in dem Taktiken und Spielzüge eingearbeitet werden und die Fitness der Spieler optimiert wird, sondern die seelischen Akkus aufzuladen und sich besser kennenzulernen, um sorglos in die Schweiz fahren zu können. Seniorchefin Erika Huß erinnert sich noch genau daran: "Die Spieler vertrieben sich den Tag mit Minigolf – das war ihr Ding – oder Tischtennis. Sie haben auch oft Spaziergänge gemacht – beispielsweise bei den Allerheiligen Wasserfällen." Diese Geschichten, habe sie bereits bestimmt mehrere tausende Male erzählt, meint Erika Huß. Sie erzähle sie aber immer wieder gerne und zeigt die dazu passenden Bilder aus dem Familienalbum, wenn sich ein Gast dafür interessiert.

"Der Sepp Herberger war ein sehr netter und feiner Mann. Hat immer nur das Beste für seine Spieler gewollt", beschreibt Erika Huß den Trainer von einst. Dazu habe aber auch eine gewisse Strenge gehört: "Um 10 Uhr mussten die Spieler spätestens auf ihrem Zimmer sein. Und Alkohol war – zumindest offiziell – komplett verboten." Die Ernährung habe auch damals schon eine große Rolle gespielt. "Mit dem Betreuerteam haben wir den Speiseplan abgestimmt. Es gab oft Forelle, das mochten die Spieler", erinnert sich die Seniorchefin.

In seinem Buch beschreibt Fritz Walter, Mannschaftskapitän von 1954, die Tage in Baiersbronn: "Bei gemeinsamen Spaziergängen genießen wir die gesunde Schwarzwaldluft in vollen Zügen. Sorglos leben wir in den Tag hinein. Vom Fußball wird wenig geredet." Besonders zu ihm wurde auch nach 1954 Kontakt aufrechterhalten und es entstand eine innige Freundschaft: "Er war gemeinsam mit seinem Bruder oft hier zu Besuch, beispielsweise bei unserm Fest zum 125. Jubiläum – hat auch oft angerufen oder geschrieben und Präsente geschickt", erzählt Erika Huß und deutet auf eine Vitrine, gefüllt mit Erinnerungsstücken von Fritz Walter. Aber auch zu vielen anderen Spielern habe sie den Kontakt gepflegt. Auch zu Horst Eckel – gemeinsam mit Hans Schäfer, der einzige noch lebende Held von Bern. Eckel ist auch heute noch regelmäßig zu Gast in der "Blume", sagt sie.

Damit gerechnet, dass die Mannschaft Weltmeister wird, habe im April noch niemand, gibt Erika Huß zu. "Gemeinsam mit unseren Gästen und Angestellten saßen wir genau hier in der Stube und haben uns alle um unser Radio gedrängt", erzählt sie, wie sie damals den Finalsieg gegen Ungarn erlebte.

u Im Sitz der Helden Der Bus kann am 27. September bis 12 Uhr neben dem Hotel Adler Post in Baiersbronn Obertal besichtigt werden. Genau das Richtige für jeden, der schon immer einmal den (Sitz)Platz von Fritz Walter, Sepp Herberger oder Helmut Rahn einnehmen wollte. Danach bringt er die Mitglieder des WAC zum Gasthof Blume.