Sollte der Forderung nach einem Nationalpark durch Greenpeace oder ... Foto: dpa

Zwei Drittel der Landesbevölkerung für Nationalpark. Umfrage-Ergebnis für Kritiker "nicht relevant".

Baiersbronn - Die 50 Banner sind jeweils knapp ein mal zwei Meter groß. Sie sind mit Bäumen bemalt. Damit sollen sie den ursprünglichen Mischwald im Nordschwarzwald symbolisieren. Der nämlich soll im geplanten Nationalpark wieder heranwachsen. Alle Banner stammen aus etwa 40 Städten querbeet durch Baden-Württemberg. Und darauf stehen Unterschriften für das Schutzgebiet im Schwarzwald. Mit dieser Demonstration vor dem baden-württembergischen Landtag in Stuttgart startete die Umweltorganisation Greenpeace gestern eine Waldschutz-Aktion, mit der sie für den umstrittenen Nationalpark im Nordschwarzwald werben will.

Unter dem Motto "Schritt für Schritt zum Nationalpark" wollen die Umweltaktivisten sieben Tage lang von der Landeshauptstadt in den Nordschwarzwald wandern und unterwegs Bürger über das Parkprojekt informieren, bei dem auf einer Fläche von 10 000 Hektar Staatswald die Natur sich selbst überlassen werden soll. "Ein großer natürlicher Wald fehlt in Baden-Württemberg. Dabei ist das der Wunsch der Bevölkerung", behauptet Waldexperte Luis Scheuermann von Greenpeace

Anlass für die Waldschutz-Wanderung ist das Ergebnis einer repräsentativen Umfrage des Forsa-Instituts, bei der laut Greenpeace knapp zwei Drittel der Landesbevölkerung die Einrichtung eines Nationalparks im Schwarzwald befürworten. "Ein großer natürlicher Wald fehlt in Baden-Württemberg. Dabei ist das der Wunsch der Bevölkerung", sagt Luis Scheuermann, Waldexperte von Greenpeace (Gruppe Mannheim/Heidelberg). Baden-Württemberg sei nach Berechnungen der Organisation im bundesweiten Vergleich mit weniger als einem halben Prozent geschützter Waldfläche auf dem vorletzten Platz und neben Rheinland-Pfalz das einzige Flächenbundesland ohne Nationalpark, bemängelt Greenpeace.

Die Waldschutz-Tour der Umweltaktivisten führt über Vaihingen, Böblingen, Herrenberg, Nagold, Pfalzgrafenweiler und Freudenstadt. Endstation ist Baiersbronn (Kreis Freudenstadt). Dort soll am Sonntag ein großes Holzschild mit der Aufschrift "Herzlich Willkommen Nationalpark Schwarzwald" aufgestellt werden, doch die Herzlichkeit dürfte sich bei den dortigen Parkgegnern in Grenzen halten. Zu ihnen gehört der ehemalige Professor für Forstwirtschaft, Wolfgang Tzschupke. Ihm und rund 800 weiteren Gegnern des Nationalparks, die sich im Verein "Unser Nordschwarzwald" zusammengeschlossen haben, sind die Pläne der Naturschützer ein Dorn im Auge, und das ist in Baiersbronn und Umgebung nicht zu übersehen: In fast jeder Straße stehen Anti-Nationalpark-Plakate des Vereins, der zudem fleißig Aufkleber verteilt und Protest-Unterschriften sammelt.

Aus gutem Grund, meint Tzschupke: "Ich kenne kein wissenschaftlich belegtes Sachargument, das ein so groß angelegtes Totalreservat rechtfertigen würde«, sagt er. Ein Nationalpark würde der Region weder in Sachen Klimaschutz und Artenvielfalt noch bei den Arbeitsplätzen Vorteile bringen. Stattdessen befürchtet er Probleme mit der Borkenkäfer- und Sturmholzvermehrung sowie Einschränkungen für die Holzindustrie und den Tourismus. Auch das Umfrage-Ergebnis lässt Tzschupke kalt: »Ich bin mir sicher, dass die wenigsten Befragten genügend Hintergrundwissen hatten, um die Bedeutung eines Nationalparks richtig beurteilen zu können.«

Die Aussage eines Heidelbergers zum Nationalpark Nordschwarzwald sei für die Leute vor Ort zudem »nicht relevant«. Für Tzschupke sind diese Aussagen eher eine Art "ökologischer Ablasshandel", nach dem Motto "Umweltschutz ist gut, solange er mich nicht betrifft". Hätte man die Umfrage in den Gemeinden des Suchgebiets für einen Nationalpark gemacht, wäre sie anders ausgegangen, da ist sich der ehemalige Forstprofessor sicher: "In Baiersbronn, Forbach und Bad Wildbad hätten die Bürger dem Projekt eine klare Ablehnung erteilt."

Das sieht Wolfgang Schlund, Leiter des Naturschutzzentrums Ruhestein (Kreis Freudenstadt), anders. Seit rund einem Jahr bieten er und sein Team im Auftrag des Landwirtschaftsministeriums Informationsveranstaltungen zum Thema Nationalpark an. Weit über 100 Vorträge haben die Naturschutz-Experten zwischenzeitlich zum Parkprojekt gehalten und dabei festgestellt, dass die Bürger vor Ort vor allem sachliche Informationen wollen. "Dass ein Großteil der hiesigen Bevölkerung gegen den Nationalpark ist, lässt sich durch unsere Veranstaltungen in keiner Weise bestätigen", sagt Schlund.

Das Thema sei sehr komplex und die Sachverhalte oft nicht mit einfachen Sätzen darzustellen. Daher ärgert sich der Naturschützer, wenn Park-Kritiker Inhalte reduzieren, Behauptungen und Halbwahrheiten in den Raum stellen und dadurch Ängste in der Bevölkerung schüren. "Wir müssen miteinander prüfen, ob die Idee Nationalpark ein zukunftsweisender Wurf für die Region werden könnte oder ob sie eher als Belastung gesehen wird", meint er. Dazu müsse man sachlich miteinander sprechen und sich nicht hinter großen Plakaten und Faltblättern verstecken.

Unterstützung bekommt der Naturschützer zwischenzeitlich auch von der Pro-Initiative "Freundeskreis Nationalpark", die rund 350 Mitglieder zählt. Hier erhofft man sich durch einen Nationalpark deutliche Vorteile für die Region, sowohl ökologisch als auch wirtschaftlich.

Ob Vor- oder Nachteile bei einem Nationalpark Nordschwarzwald überwiegen, damit beschäftigen sich derzeit sieben Arbeitskreise mit Experten aus der Region und ein Gutachten, das noch in Arbeit ist. Anfang 2013 sollen die Ergebnisse vorliegen und Grundlage für die Entscheidung für oder gegen das Projekt sein. Bis dahin wird die Diskussion um den Nationalpark wohl weiter hitzig geführt, und Baiersbronn sicher nicht nur um ein "Willkommensschild" reicher werden.