Mit Tatkraft und Gottvertrauen ins Lutherjahr: Dekan Joachim Botzenhardt. Foto: Gegenheimer Foto: Schwarzwälder-Bote

Reformationsjubiläum: Gespräch mit Dekan Joachim Botzenhardt / Evangelischer Kirchenbezirk Neuenbürg umfasst 27 Gemeinden

Was Rundfunkpfarrerin Lucie Panzer Mitte Februar in Neuenbürg in der Themenreihe "Luther im Gespräch" vermitteln wird, übernimmt Dekan Joachim Botzenhardt gern für sich ins Jahr des 500-jährigen Reformationsjubiläums.

Oberes Enztal/Neuenbürg. Somit gilt: "Nicht nachplappern, was andere uns vorgeben, sondern selbstständig denken und auf Gott vertrauen!" Nicht "Heiligenverehrung" im Rückblick ist dem Oberhirten des Dekanats Neuenbürg wichtig, sondern Martin Luthers Ideen angewandt auf aktuelle Fragestellungen.

Seit gut drei Jahren ist der 49-jährige, verheiratete Familienvater Dekan des Kirchenbezirks Neuenbürg und Pfarrer der Stadtkirche.

27 evangelische Kirchengemeinden gehören zu seinem Bezirk, die Hälfte davon im Landkreis Calw gelegen – von Bernbach bis Enzklösterle und Oberlengenhardt. Vom badischen Loffenau über die Kur- und Klinikstandorte Bad Wildbad, Bad Herrenalb und Dobel bis zu den Enzkreisgemeinden wie Birkenfeld oder Straubenhardt ist die Struktur des Bezirks mehrheitlich ländlich.

Große Herausforderung für 2017 wird der Pfarrplan sein. Die Zahl der Pfarrstellen wird um drei bis vier reduziert werden müssen. Derzeit hat der Bezirk 24, zuzüglich 1,75 landeskirchlicher Sonderpfarrstellen. Die Landessynode im März wird die Vorgaben liefern. "Wir werden uns zunehmend davon verabschieden müssen", so Botzenhardt, "dass es pro Kirchengemeinde einen Pfarrer und – im Idealfall – ein Pfarrhaus und eine Pfarrfamilie mittendrin gibt. Wir werden so sortieren müssen, dass jede Kirchengemeinde trotzdem versorgt ist."

Bereits heute gibt es unterschiedliche Lösungen: Während Neusatz-Rotensol eine Einheit ist, wird Bernbach zwar von der gleichen Pfarrstelle aus betreut, ist aber selbstständig. Schwarzenberg und Bieselsberg ist eine Verbund-Kirchengemeinde, das heißt, in vielen Belangen wird zusammengearbeitet, beide Kirchengemeinden bestehen jedoch für sich. Kritisch ist: In beiden Fällen herrscht Vakanz, das heißt: Die Pfarrstellen sind nicht besetzt.

"Althergebrachtes stößt an seine Grenzen", konstatiert der Dekan. Seit Jahren ist die Zahl der Kirchenmitglieder rückläufig. Hier gebe es als ersten Punkt das demografische Minus, die Differenz zwischen Bestattungen und Taufen evangelischer Christen. "Die Stadt Neuenbürg", zeigt Botzenhardt beispielhaft auf, "hatte 2016 ein Plus an Wohnbevölkerung von 400 Personen, aber praktisch Null bei den Evangelischen." Es kommen weniger Kinder evangelischer Eltern zur Welt, als alte Menschen sterben. Die Region, so der Dekan, zeichne sich durch eine eher ältere Bevölkerung aus, Bad Herrenalb habe nachweislich den höchsten Seniorenanteil.

Gemeinsame Tauffeste

Junge Leute zögen tendenziell eher weg als zu – je südlicher im Kirchenbezirk, desto stärker. Zweiter Punkt ist, so Botzenhardt, der Säkularismus, den er so beschreibt: "Die Menschen haben vergessen, dass sie Gott vergessen haben." Rund 45 Prozent Evangelische gebe es in der Stadt Neuenbürg, aber bereits rund 30 Prozent Konfessionslose. Anderswo im Dekanat ist das ähnlich. Die Entfernung von jeglicher Religion, fehlende Auseinandersetzung mit ihr, Ichbezogenheit und Konsumorientierung herrschten vielfach vor, so der Theologe. Ein gelungener Versuch, Menschen wieder an Religion und Gott heranzuführen, seien die Glaubenskurse im Jahr 2016 gewesen. "Themen wie ›Gott und das Zulassen von Leid‹ oder ›Schöpfung und Evolution‹ bringen Menschen wieder zur Auseinandersetzung mit Gott", beschreibt Botzenhardt.

Dritter Punkt für das Minus an Mitgliedern seien soziale und kulturelle Gründe. Der Dekan führt aus: "Menschen aus sozial schwachen Familien scheuen zum Beispiel die Öffentlichkeit einer Taufe im Sonntagsgottesdienst. Ein Fest ist für sie finanziell oft nicht auszurichten. Daher haben wir Möglichkeiten wie Samstagstaufen geschaffen." Gemeinsame Tauffeste wie das Bad Wildbader Sommer-Tauffest für Kinder aus den Gemeinden des Oberen Enztals nähmen ebenfalls die Scheu und bauten Hürden ab.

Veränderungen und Öffnungsprozesse von Kirchenseite seien unerlässlich. Es müsse Althergebrachtes, wenn es gut funktioniere, dabei nicht über den Haufen geworfen werden. Wichtig sei zuallererst eine offene Einstellung von Mensch zu Mensch.

Der Frühjahrssynode des Kirchenbezirks am 10. März sieht Botzenhardt mit Spannung entgegen: "Sie soll in neuer Form als eine Werkstatt ablaufen, bei der Menschen ins Gespräch kommen, an Stationen Ideen wie zum Demografieprozess entwickeln können."

Ein soziales Begegnungszentrum

Das Dekanat hat 2017 ein großes Vorhaben: Zentral in Neuenbürg soll ein soziales Begegnungszentrum entstehen. Dort wird nicht nur die Diakonische Bezirksstelle ihren neuen Platz finden, sondern auch das Kleiderlädle, Café, Beratungszentrum und die Flüchtlingshilfe, eventuell sogar ein Weltladen. "Die Stadt unterstützt uns dabei", freut sich Botzenhardt.

Er freut sich ebenso, dass die Kirchengemeinden des Dekanats für das Lutherjahr eine reiche Auswahl an (Wieder-)Einstiegsmöglichkeiten in Glauben und Denken des Reformators geschaffen haben mit einer ganzen Broschüre voller Angebote (auch unter www.reformation-neuenbuerg.de) gemäß dem Motto des Reformators: "Selbst wenn ich wüsste, dass die Welt morgen in Stücke zerfällt, würde ich immer noch meinen Apfelbaum pflanzen."