Dennis Gräf interpretierte in seinem Vortrag über den Tatort die Besonderheiten der Serie mit seinen Gegensätzen. Foto: Bechtle Foto: Schwarzwälder-Bote

Kultur: Dennis Gräf spricht im Forum König-Karls-Bad über die am längsten laufende Krimiserie

Von Götz Bechtle

Bad Wildbad. Der "Tatort" am Sonntagabend ist die am längsten laufende Krimiserie im Fernsehen. Ende 1970, also vor mehr als 45 Jahren, gab es mit "Taxi nach Leipzig" die erste Folge dieser Serie, die jede Woche Millionen von Zuschauern in ihren Bann zieht. Inzwischen wurden mehr als 1000 Folgen von den deutschen Fernsehsendern, aber auch aus der Schweiz und aus Österreich ausgestrahlt.

Schwerpunkte rekonstruiert

Da verwundert es, wenn ein VHS-Vortrag über die Besonderheiten des "Tatort" im Forum König-Karls-Bad lediglich drei Besucher zählt. Dennis Gräf, Experte für Mediensemantik und Literatur- und Filmwissenschaftler mit Lehrstuhl an der Universität Passau, hat sich in seiner 2010 erschienenen Promotionsarbeit "Tatort. Ein populäres Medium als kultureller Speicher" intensiv mit der beliebten Krimiserie auseinandergesetzt. Seine Studie untersucht den Tatort von den 1970er- bis zu den 1990er-Jahren mit einem Ausblick ins 21. Jahrhundert unter besonderen Aspekten. Er rekonstruiert die zentralen inhaltlichen und ästhetischen Schwerpunkte der Serie. Dabei spielt die Mediensemiotik, die Wissenschaft, die sich mit Zeichensystemen aller Art, in diesem Fall im Medium "Tatort", eine besondere Rolle.

Diese stellte Gräf bei seinem Vortrag "Mörder in der Provinz: Der ›Tatort‹ und das Ländliche" vor. Dabei geht es zunächst um den in den meisten Tatortfolgen bestehenden Gegensatz von den beiden Räumen Stadt und Land.

Das föderalistische Prinzip des "Tatorts", nämlich der Wechsel der von den ARD-Sendern produzierten Folgen mit jeweils anderen Ermittlerteams, bieten dem Zuschauer unterschiedliche Landschaften, die ein bestimmtes Lokalkolorit aufweisen.

Dieser Außenraum spielt eine wesentliche Rolle und dient nicht nur als Kulisse, wobei der "Innenraum" der Ort, das Gebäude oder das Revier ist, das auch im Filmstudio hergestellt werden kann, zu dem also der Zuschauer keinen lokalen Bezug herstellt. Der Innenraum ist also ein künstlicher Raum.

Kontraste haben besondere Bedeutung

Andererseits vermittelt der "Außenraum", in dem sich meist die Gewalttat ereignet, das Fremde, das Verborgene oder das Geheimnisvolle. Jedoch soll eben dieser Raum die Bedeutung des Films interpretieren.

Häufig weist der Tatort Szenen auf, die den Gegensatz zwischen liberal und konservativ deutlich machen. Da ist der abgebrühte Ermittler, der in seiner beruflichen Tätigkeit schon viele Negativerlebnisse hatte. Auf der anderen Seite die Betroffenen, die zu einer Tat und deren Umfeld völlig andere konservative Einstellungen empfinden. Zwischen Raum und Figur entsteht dadurch ein Wechselverhältnis, das durch unterschiedliche Moral- und Wertvorstellungen Spannung erzeugt.

Kunst, und dazu gehören auch die "Tatort"-Folgen, ist keineswegs rational, und die künstlerischen Aspekte, so Gräf in seinem anspruchsvollen Vortrag, spielen im Tatort eine vorrangige Rolle. Dass dies der Zuschauer nicht bemerkt, liegt ganz einfach an der Spannung, mit der er den Inhalt des Tatort verfolgt, und bei dem für ihn andere Momente wichtig sind.

Mit zahlreichen kleinen Ausschnitten aus einer großen Anzahl von Tatortfolgen untermauerte Dennis Gräf seine Ausführungen, die dadurch verständlicher wurden.