Detlev Weingärtner (links) und Rüdiger Krüger im Gespräch über Schubart, der ein Jahrzehnt unter schlimmsten Bedingungen auf dem Hohenasperg eingekerkert war. Foto: Bechtle Foto: Schwarzwälder-Bote

Kultur: Jedes Jahr im November ersteht die ehemalige Gaststätte "Schwarzer Adler" für zwei Tage wieder neu

Von Götz Bechtle

Das Zusammenspiel von Wildbader Geschichte, Literatur und Gaumenfreuden auf hohem Niveau im "Schwarzen Adler" begeistert die Besucher seit knapp zwei Jahrzehnten. So auch in diesem Jahr.

Bad Wildbad. Fragt man einen Wildbader nach der Gaststätte zum "Schwarzen Adler", so wird er den Kopf schütteln und antworten, dass es hier eine Gaststätte mit diesem Namen nicht gebe. Dies ist allerdings nur zum Teil richtig, denn am vergangenen Wochenende war die "Traditions-Gaststätte zum Schwarzen Adler" wieder geöffnet, und zwar im heutigen Hotel Weingärtner an der Olgastraße. Wie ist so etwas möglich?

Dazu muss man sich in die Wildbader Geschichte begeben, denn bereits 1857 findet man auf einer Wildbad-Zeichnung den Schwarzen Adler gegenüber dem "Großen Badhaus", dem heutigen Palais Thermal, etwa an der Stelle, wo sich heute das Rossini-Denkmal befindet.

Einige Jahre später kaufte der aus Simmersfeld nach Wildbad gezogene Wirt Daniel Friedrich Klumpp, dem das neben dem "Schwarzen Adler" stehende Hotel Bären gehörte, den Adler-Gasthof, um an diesem Platz zusammen mit dem Bären ein größeres Hotel, das Hotel Klumpp, zu errichten. Man darf dabei nicht vergessen, dass Wildbad in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts ein viel besuchter und sehr beliebter Kurort der württembergischen Könige, des internationalen Adels, hoher ausländischer Gäste und natürlich zahlreicher gutsituierter Bürger war, die ihre "Sommerfrische" in dem Schwarzwald-Städtchen verbringen wollten.

Um seine Baupläne zu verwirklichen, überschrieb Klumpp dem Adlerwirt ein Grundstück an der damaligen Enzthalstraße (heute Olgastraße). Dort ließ der Adlerwirt seinen neuen "Schwarzen Adler" erbauen. Besonders wichtig war ihm dabei, dass er sein "Schank- und Brennrecht" auf das neue Gebäude übertrug. Dies bedeutete, dass er nicht nur seine Hausgäste bewirten, sondern eine öffentlich zugängliche Gaststätte betreiben konnte. Das Brennrecht, dass stets sehr genau von den Finanzbehörden überprüft wurde, war ein wichtiger Teil der "Betriebserlaubnis".

Der "Schwarze Adler", der Anfang des 20. Jahrhunderts in "Villa Treiber" umbenannt wurde, bestand bis in die 1950er-Jahre. Dann übernahm das Gastronomen-Ehepaar Richard und Amalie Weingärtner diese Villa. Sie kauften später außerdem die danebenstehende Villa Victoria, um das Hotel Weingärtner zu eröffnen, das, inzwischen mehrfach umgebaut und erweitert, heute vom Sohn Detlev Weingärtner geführt wird.

Einmal im Jahr öffnet hier für zwei Tage der "Schwarze Adler" seine Tore, um zu zeigen, dass das "Schankrecht" noch Gültigkeit hat. Das Brennrecht dagegen ist schon lange ausgelaufen.

Köstliches aus der Küche

Nun bewirtet Detlev Weingärtner im "Schwarzen Adler" nicht nur die einheimischen Gäste mit Köstlichkeiten aus der Küche, sondern bietet an diesen beiden Tagen neben den kulinarischen Genüssen auch einen literarischen Leckerbissen an.

Dieser wird präsentiert von Rüdiger Krüger, den Wildbader Einwohnern bekannt als Pädagogischer Leiter und Geschäftsführer der früheren Volkshochschule Oberes Enztal (1987 bis 1997). Krüger ist Germanist, Pädagoge, wissenschaftlicher Mitarbeiter an verschiedenen Hochschulen, Autor einer Reihe wissenschaftlicher Veröffentlichungen und unterschiedlicher Publikationen. Von ihm stammt auch die Schrift "Elastisch, nur elastisch," die einen Teil des schriftstellerischen Werks des in Wildbad geborenen Ludwig Seeger enthält.

Seit 18 Jahren findet man Krüger im November regelmäßig für einige Tage im "Schwarzen Adler", wo er interessante literarische und künstlerische Persönlichkeiten der Vergangenheit, natürlich überwiegend solche aus dem württembergischen Raum, den Gästen vorstellt.

In diesem Jahr erfuhren die Gäste zwischen gratiniertem Fjord-Lachsfilet, glasierter Lammhaxe und Gewürzschmorbraten eine ganze Menge über Christian Friedrich Daniel Schubart (1739 bis 1791). Schubart ist den meisten nur bekannt als Dichter des von Franz Schubert vertonten Gedichts "Die Forelle." Mit Fug und Recht darf man Schubart jedoch als Multitalent bezeichnen: Er war Dichter, Journalist, Komponist, hervorragender Pianist, schrieb mehr als 1000 Gedichte, wovon er einen Teil selbst vertonte.

Nur einen Schwachpunkt hatte Schubart: Er war Lebemann, Rebell und Reaktionär, verspottete den Adel, vor allem den württembergischen Herzog Karl Eugen, dessen Partnerin Franziska von Hohenheim er als "Lichtputze, die glimmt und stinkt" beschimpfte. Dass das Verhalten dem Herzog missfiel, war verständlich, und so lockte er den Rebellen auf württembergisches Gebiet, ließ ihn verhaften und sperrte ihn ohne Anklage zehn Jahre lang auf der Feste Hohenasperg ein. Dort wollte der Herzog Schubarts Hochmut brechen, was ihm kaum gelang. Schubarts Gedicht "Kaplied", das während seiner Haft entstand, beschreibt in zwölf Versen, wie württembergische Landeskinder als Soldaten nach Afrika verkauft wurden, um dort zu kämpfen und zu sterben.

Selbst das Gedicht "Die Forelle," so Krüger, das Schubart ebenfalls während seiner Haft verfasste, weise auf die Willkür der Fürsten hin. Die Forelle symbolisiere sozusagen sein eigenes Schicksal, denn Herzog Carl Eugen hatte durch Mittelsmänner Schubart von der freien Reichsstadt Ulm in das württembergische Blaubeuren gelockt, wo er festgenommen wurde.

Die ersten Jahre in Haft müssen, so Krüger, grauenvoll gewesen sein, da er weder die Kleidung wechseln oder mit jemandem sprechen durfte, noch seine Erkrankungen behandelt wurden. Später besuchten ihn in der Haft württembergische "Hochgeister" (Schiller, Strauß, Vischer), wobei Schiller von Schubart zu seinem Drama "Die Räuber" inspiriert wurde. Für Schubarts Freilassung setzte sich sogar der preußische König Friedrich ein. Die lange Kerkerhaft ging an ihm nicht spurlos vorüber. Ihm waren nach seiner Freilassung nur noch wenige Lebensjahre vergönnt.