Ein facettenreiches Bild der Schwaben zeichnete der Journalist und ehemalige Auslandskorrespondent Ulrich Kienzle. Foto: Bechtle Foto: Schwarzwälder-Bote

Lesung: Ulrich Kienzle beschäftigt sich mit Dialekt und typischen Eigenschaften / Trollinger als kollektives Beruhigungsmittel

Bad Wildbad. Mit seinem 2008 erschienenen Essay "Wo kommsch denn Du alds Arschloch her? Die Erfindung des Schwaben; wie er wurde, was er ist", überraschte Ulrich Kienzle sicherlich manche, die ihn als Journalist, Publizist und Nahostexperte kannten.

Dass der inzwischen 80-jährige Schwabe, geboren in Neckargröningen, anders kann, bewies er im Königlichen Kurtheater Wildbad. Hier fand er ein interessiertes Publikum, dem er gestand: "Ich bin ein schwäbischer Chauvinist", also ein überheblicher Mensch, der die anderen von oben herab betrachtet. Auf der Bühne des Kurtheaters hatte er tatsächlich die Möglichkeit, auf sein Publikum herabzuschauen.

Kienzles Plauderei zum Thema "Gottes schönste Gabe ist der Schwabe" über Dialekt und typische Eigenschaften war keineswegs chauvinistisch, denn kein anderer deutscher Stamm außer den Schwaben macht sich über sich selbst lustig.

Ein schweres Schicksal

Es sei deshalb ein schweres Schicksal, Schwabe zu sein, vor allem wenn man der Butter, der Schoklad, das Mensch oder das Teller sage – um einige sprachliche Besonderheiten zu nennen. Kienzle schränkte ein: die Menscher sei keineswegs die Mehrzahl von der Mensch, das Menschle wiederum etwas anderes als ein "kleiner Mensch".

Den Trollinger bezeichnete Kienzle als kollektives Beruhigungsmittel und kürzesten Weg in die innere Emigration. Dass allerdings auf seinem Vortragstisch Teinacher Sprudel und kein schwäbischer Trollinger stand, hatte sicher einen anderen Grund.

Die schwäbische Lebensart sei Armut, denn hinter jedem Genuss – dabei verwies Kienzle auf den Pietismus – stecke Sünde. Deshalb stimme auch die Aussage einer sparsamen schwäbischen Hausfrau: "Wenn i meine Küchle en deim Fett bache därf, no därfsch du dein Fleisch en meim Kraut koche!"

Die Großkopfeten

Als Journalist nahm Kienzle natürlich auch die Großkopfeten aufs Korn: Lothar Späth als schwäbisches Cleverle, Mappus mit seinem "Moggeleskopf" (für Nichtschwaben: Moggele sind Kälber); oder Günther Oettinger, auf den stets Verlass sei, denn: "Wo der neidappe kann, dappt er nei." Und schließlich durfte Landesgroßvater Kretschmann nicht fehlen. Als Gegensatz hierzu setzte Kienzle den schwäbischer Weltgeist des Philosophen Georg Wilhelm Friedrich Hegels (1770-1831), der Vernunft und Freiheit des Denkens forderte.

Das Verschwinden des schwäbischen Tatort-Kommissars Ernst Bienzle bezeichnete Kienzle als "ethnische Säuberung des SWR". Und dass der schwäbische Pietismus keine Leitkultur mehr sei, merke man schon daran, dass es inzwischen Schwaben gebe, die sich nicht schämten, ihr Leben zu genießen. Schließlich sei vor 40 Jahren Müßiggang unvorstellbar gewesen.