Der Platz im Bad Wildbader Asylbewerberheim Uhlandshöhe wird immer knapper. Deshalb sollen im kommenden Jahr drei neue Gemeinschaftsunterkünfte geschaffen werden, verriet Landrat Helmut Riegger (Dritter von rechts) gestern bei einem Besuch der bestehenden Einrichtung in Bad Wildbad – obwohl das Geld "hinten und vorne nicht reicht". Foto: Kunert

Landrat fordert vom Land mehr Unterstützung für Flüchtlings-Betreuung. Drei neue Unterkünfte für 2015 geplant.

Kreis Calw - "Dies ist kein Wohlfühltermin, sondern wir zeigen die Realität." Calws Landrat Helmut Riegger ließ am Freitag während eines Lokaltermin im Bad Wildbader Asylbewerberheim Uhlandshöhe keinen Zweifel daran, was seine aktuell wichtigste Botschaft in Richtung Landesregierung ist: "Wir brauchen dringend mehr Geld!"

Die Uhlandshöhe ist baulich in einem desolaten Zustand. Bis zu 75 Personen leben hier, verteilt auf 24 Zimmer. Überwiegend sind es alleinstehende junge Männer, wie der Palästinenser Madjid aus Rafah im Gaza-Streifen. Seit 18 Monaten ist Madjid in Bad Wildbad, spricht bereits ganz gut Deutsch, wie sich beim Fußball-Fachsimpeln mit Landrat Riegger zeigt. Madjid trainiert und spielt für eine Mannschaft aus Calmbach. "Ich bin froh, wie gut die Bewohner hier miteinander umgehen und auch von der Bevölkerung akzeptiert sind", freut sich Riegger. Sicher gibt es auch immer mal Konflikte, das bedingt die Enge der Wohnsituation: 4,5 Quadratmeter stehen den Bewohnern zu, eigentlich sollen es sechs Quadratmeter sein; ab Januar sogar sieben.

"Aber das kostet Geld, das im Augenblick Landkreis und Kommunen alleine aufbringen müssen", erklärt der Landrat. Und eigentlich nicht haben. 4,4 Millionen Euro plant der Kreis Calw dennoch für 2015 ein. Damit sollen insgesamt drei neue Gemeinschaftsunterkünfte für Asylbewerber geschaffen werden, eine in Calw auf dem Wimberg, die anderen beiden "in größeren Gemeinden um die zehntausend Einwohner", so Riegger. Welche, möchte der Landrat noch nicht sagen, denn: "Erst müssen wir die betroffenen Gemeinderäte davon informieren." Aber es bleiben eigentlich nur Bad Liebenzell, Schömberg, Wildberg oder Altensteig. Weitere sieben Millionen Euro werde die Versorgung und Betreuung der Flüchtlinge im kommenden Jahr kosten, von denen 3,3 Millionen wiederum der Kreis tragen muss – wobei dieser die Kosten über die Kreisumlage auf die Haushalte der Städte und Gemeinden verteilen wird.

"Wir stehen bei der Finanzierung der Flüchtlings-Betreuung wirklich mit dem Rücken zur Wand", spitzt Riegger seine Wortwahl weiter zu. 600 Asylbewerber leben derzeit im Kreis. 2010 waren es noch 170. Und im Moment müssten jeden Monat mehr als 50 zugewiesene Flüchtlinge neu untergebracht werden. Im Augenblick sogar in Zimmern, die eigentlich als Aufenthaltsräume gedacht waren. "Wir haben Not-Szenarien, dass wir Flüchtlinge in Turnhallen unterbringen", erläutert André Dieringer, beim Kreis Calw für die Immobilienverwaltung zuständig. "In anderen Landkreisen werden bereits Zeltstädte für die Flüchtlinge errichtet. Das werden wir aber nicht tun."

Bisher erstattet das Land pro Asylbewerber einmalig 12 500 Euro. "Das reicht aber hinten und vorne nicht", so der Landrat, da der Landkreis davon auch zum Beispiel die medizinische Versorgung der Flüchtlinge finanzieren müsse. "Wir haben aktuell fünf Diabetiker im Kreis, die pro Person allein mit jährlichen Kosten von 40 000 bis 50 000 Euro zu Buche schlagen." Nicht zur Disposition stehe für Riegger aber die grundsätzliche Aufnahme von Flüchtlingen. "Wir dürfen uns als reiche Industrienation hier nicht der Verantwortung entziehen, diesen Menschen vorbehaltlos zu helfen", sagte er. Allerdings begrüßt Riegger die gestern zeitgleich in Berlin getroffenen Entscheidungen des Bundesrats zur Asylrechtsreform, wonach nun die Staaten des ehemaligen Jugoslawien als sichere Herkunftsländern einzustufen und Bürger zum Beispiel aus Serbien oder Mazedonien schneller in ihre Heimat abzuschieben sein werden.

Auch die auf Druck der baden-württembergischen Landesregierung gelockerte Residenzpflicht der Flüchtlinge sowie die nun mögliche schnellere Arbeitserlaubnis bewertet Riegger positiv. "Wir haben hier gut ausgebildete Arbeitskräfte, die für ihr eigenes Leben Verantwortung übernehmen möchten", so der Landrat. Ihnen dafür Perspektiven zu bieten, sei das Beste, was man zum Thema Integration leisten könne.

Statt einmalig 12 500 Euro pro Asylbewerber muss das Land sich stärker an den wesentlich höheren tatsächlichen Kosten (für Unterbringung, Medizin, Versorgung, Betreuung) beteiligen.

Sofortige Anwendung der Drittstaatenregelung.

Sofortige Einrichtung von Erstaufnahmestellen in jedem Regierungsbezirk etwa in ehemaligen Kasernen – und nicht erst wie geplant ab 2016.

Gesundheitliche Erstversorgung und Untersuchungen durch die Landesaufnahmestelle.

Änderung der Bauvorschriften, um Asylbewerberunterkünfte auch in Gewerbegebieten zuzulassen.