Auch Hermann Hesse scheint den Lesungen von Luise Wunderlich und Rudolf Guckelsberger im Residenzsaal des Therme Hotels Bad Teinach genüsslich zuzuhören. Foto: Fisel Foto: Schwarzwälder-Bote

Hesses Erlebnisse mit Kuren / Gerbersauer Lesesommer on wunderbarer Musik begleitet

Von Andrea Fisel

Bad Teinach-Zavelstein. Wenn der Gerbersauer Lesesommer im Hotel Therme Bad Teinach gastiert, dann dürfen Hermann Hesses Schilderungen über Kurorte und Kuraufenthalte nicht fehlen. Und wenn die perfekt inszenierte Lesung dann noch von wunderbarer Musik begleitet wird, beschleicht den Zuhörer bisweilen das Gefühl, daselbst in einer Kur zu verweilen.Ähnlich muss es wohl dem großen deutschen Schriftsteller Thomas Mann ergangen sein, der von den 1925 beim S. Fischer Verlag erschienenen Aufzeichnungen Hermann Hesses "Kurgast. Aufzeichnungen von einer Kur" überaus begeistert war und bei deren Lektüre empfand, "als wär’s ein Stück von mir." Hesse selbst bekannte über jene autobiografischen Schilderungen, die bei seinen wiederholten Kuraufenthalten im renommierten Thermalbad Baden bei Zürich entstanden sind: "Hinter einer halb scherzhaften Fassade ist es mein persönlichstes und ernsthaftestes Buch."

In der Tat ließen die teils amüsanten, teils bedrückenden Bemerkungen die innere Verfassung des Autors erahnen: auf der einen Seite die humorvollen, leichten, nicht in der momentanen Erkrankung verharrenden Gefühle, auf der anderen Seite die gelangweilten, schwermütigen, sich ihrer Endlichkeit bewussten Augenblicke. Hesse spannt in diesen von Rheumatismen und Ischialgie gezeichneten Lebensphasen einen Bogen von anfänglicher Heiterkeit voll belustigender Betrachtungen bis hin zu tiefsinnigen Erkenntnissen über menschliche Schwächen, unausweichlichen Begrenztheiten und Tod.

Ähnliche Gedanken brachte Hesse bereits im Jahre 1909 in "Ein offener Brief anlässlich einer Kur in Badenweiler" zu Papier. Er beschreibt in epischer Breite die vorherrschende Langeweile, bei der ihm die Worte Friedrich Nietzsches: "Müßiggang ist aller Psychologie Anfang" in den Sinn kommen, oder die schier unüberbrückbare Distanz zwischen gesundem, ja heilendem Naturerleben und den verordneten, seiner Meinung nach völlig überzogenen, gelegentlich sogar krankmachenden Kuranwendungen.

Wenn dann noch großartige Sprachkünstler wie Luise Wunderlich und Rudolf Guckelsberger mit professionell schauspielerischem Mienenspiel die von Hesse bis ins letzte Detail beschriebenen Krankheitssymptome überaus glaubwürdig darlegten oder hin und wieder sogar recht intime Empfindungen mit augenscheinlicher Erheiterung ausplauderten, dann fühlte sich der Besucher im voll besetzten Residenzsaal hin und her gerissen zwischen vergnüglichen, ja beflügelnden Momenten und solchen, die seine subjektiven, vielleicht mehrfach am eigenen Körper empfundenen Gebrechlichkeiten erschreckend widerspiegelten.

Die perfekt auf die Thematik des Abends abgestimmten Musikstücke, brillant gespielt von Volker Hill am Flügel und Steffen Haß mit klassischem Saxophon, ergänzten, vielmehr unterstrichen die Lesungen immer wieder in hervorragender Weise. Während sich Leser und Zuhörer etwa noch an den humorvollen Betrachtungen des großen Calwer Dichters über den Kurort Knörzelfingen in "Schwäbische Parodie oder Ein Stück Heimatkunde" ergötzten, durften sie mit den Musikern flugs auf "Eine Schwarzwaldfahrt" des Komponisten Horst Jankowski davoneilen.

Hesse-Experte Herbert Schnierle-Lutz konnte diesen genussvollen Vorstellungen letztendlich nur noch bescheinigen, dass der Applaus mehr als verdient sei "für eine derart fulminante Lesung."