Michaela Läpple hat ein Buch über ihre außergewöhnliche Lebensgeschichte verfasst. Foto: Läpple Foto: Schwarzwälder-Bote

In "Während mein Schutzengel schlief" erzählt Michaela Läpple aus Bad Liebenzell ihre traurige Lebensgeschichte

Von Kevin Schuon

Bad Liebenzell-Unterhaug-stett. "Ich wünschte mir, ich wäre tot...". Diesen Wunsch äußerte Michaela Läpple nicht nur einmal in ihrem Leben. In der Kindheit hat die Bad Liebenzellerin unsägliche Dinge erlebt und später, als sie glaubte, das Schlimmste hinter sich gelassen zu haben, wurde sie unheilbar krank.

Nach außen hin war ihre Familie in Calmbach immer perfekt – getrimmt auf Wohlstand und Ansehen, schildert Michaela Läpple. Doch hinter den Kulissen sah alles ganz anders aus. Die Mutter, so erzählt sie, sei tyrannisch und oberflächlich gewesen, der Vater hatte ein Alkoholproblem und sowohl von ihrem Onkel als auch dem Nachbar sei sie mehrfach sexuell missbraucht worden. Ihre Eltern wollten davon nichts wissen und schauten darüber hinweg. Daraufhin habe sie mehrfach versucht, sich das Leben zu nehmen.

Schließlich fand sie einen anderen Ausweg aus ihrer "persönlichen Hölle" – die große Liebe. Sie gründete ihre eigene Familie und eiste sich von ihrem Elternhaus los. "Es war zwar nicht einfach, das alles hinter mir zu lassen. Mittlerweile bin ich damit aber im Reinen. Heute geht es mir gut", betont die 43-Jährige immer wieder.

Sie heiratete und bekam zwei Kinder. Als es dann also in ihrem Leben endlich bergauf ging, kam der nächste Rückschlag. Von den seelischen Auswirkungen – wie sie sagt – wurde sie unheilbar krank. Doch auch diesmal hat sie wieder einen Weg gefunden, um zu überleben und damit klarzukommen.

Ganz im Gegensatz zu den anderen Beteiligten ihrer Lebensgeschichte: Die Mutter ist inzwischen erblindet und "tritt nach wie vor alles und jeden mit Füßen". Vater und Nachbar sind gestorben. Der Onkel, so habe sie von einem anderen Familienangehörigen erfahren, wurde zum Alkoholiker. Zu einem Prozess wegen sexuellen Missbrauches sei es nie gekommen. "Ich hätte keinen Beweis dafür, der belegt, was sie mir angetan haben – es stünde also Aussage gegen Aussage. Deshalb wurde mir schnell klar, dass das nichts bringen wird", nennt die 43-Jährige einen Grund dafür. Außerdem wollte sie sich nicht nachträglich für Geld verkaufen.

Also musste sie einen anderen Weg finden, um mit alldem fertig zu werden. "Denn es zu verdrängen, bringt nichts." Deshalb hat sie nun ein Buch über ihre Lebensgeschichte geschrieben. In "Während mein Schutzengel schlief" schildert sie in eindringlichster Art und Weise, wie sie als ungeliebtes Kind aufwachsen musste: "Ich habe versucht, sehr sachlich, schonungslos und völlig offen zu schildern, was mir widerfahren ist. Ohne jegliche Rührseligkeiten oder Sentimentalitäten, nur die Fakten." Sie schildert auch, wie sie es trotz allem geschafft hat, heute ein erfülltes und glückliches Leben zu führen und es ihr gelingt, ein offener und liebevoller Mensch zu sein.

Geplant gewesen, sei das jedoch nicht. "Ich habe damit angefangen, mich selbst zu finden, alles aufzuarbeiten und mich durch die alten Geschichten gewälzt", erzählt sie. Daraus sei dann irgendwann das Buch entstanden. Lange Zeit hatte sie Angst davor, sich damit in der Öffentlichkeit komplett gläsern zu machen und einen Blick in die tiefsten Winkel ihres Privatlebens zu gewähren. Doch am Ende: "Habe ich mich dazu durchgerungen, es zu veröffentlichen. Auch um anderen zu helfen, die Ähnliches durchgemacht haben." Damit sei viel mehr geholfen, als immer wiederkehrende Floskeln zu reden.

Auch in ihrer Familie geht die Spiel- und Theaterpädagogin, die krankheitsbedingt derzeit keinen Beruf ausüben kann, mittlerweile ganz offen mit ihrer Geschichte um. "Denn es zu verschweigen, bringt nichts. Das gibt mir Rückhalt und Kraft, und auch meine Kinder profitieren davon", ist sie sich sicher.