Alfred Abel in seiner Remise – seinem schönen Atelierhaus, in dem er sein Büro untergebracht hat. Foto: Kunert Foto: Schwarzwälder-Bote

Alfred Abel arbeitet als Architekt, Autor, Illustrator, Sammler, Restaurator alter Schwarzwalduhren und Weinbauer

Von Axel H. Kunert

Bad Herrenalb. Eigentlich ist Alfred Abel Architekt. Diese drei "A"s – die sind sein Markenzeichen. Das Foyer des Thermalbades hier in Bad Herrenalb trägt seine Handschrift. Seine Entwürfe des Kurhauses Bad Herrenalb, des Hauses des Gastes in Rotensol und der Klosterscheuer Bad Herrenalb sind preisgekrönt.

Auch das Mönchs Posthotel begleitet er seit nun mehr als 20 Jahren als verantwortlicher Planer; aktuell die aufwändige Sanierung und den Ausbau als modernes Spitzenklasse-Hotel.

Doch schöne Häuser – schöne Räume bauen, das ist nur eine der vielen Facetten des "Schöngeistes" Alfred Abel. Er ist auch Autor und Illustrator, Sammler edler Antiquitäten und Restaurator alter Schwarzwalduhren, Hobby-Landwirt und Weinbauer. Ein Mann der Sinne. Ein aufmerksamer Zuhörer. Ein sensibler Beobachter. Ein kreativer Gestalter. Ein tiefer Denker, der Sätze sagt wie: "Schönheit entwickelt sich aus der Summe der ganzheitlichen sinnlichen Wahrnehmung."

Alfred Abel sitzt an diesem Morgen in seiner Remise – ein schönes Wort für sein Atelierhaus, in dem er sein Büro untergebracht hat. Das Gebäude sieht uralt aus. Aber nur die prächtigen Natursteine sind es auch tatsächlich, Entwurf und Bau stammen von Abel. Schöne, alte Dinge umgeben ihn hier. Eine gelungene Inszenierung seines Alltags, die wohl seine kreative Ader in Schwingungen versetzen soll. Und das offensichtlich auch tut.

Doch nicht nur Bauentwürfe entstehen hier – gezeichnet noch mit Bleistift, die "alte Schule", wie Abel es nennt. Im Moment hält er einen Faserschreiber in der Hand. Und mit dem schreibt er. Tagebuch zum Beispiel. Und Geschichten.

Buch über Kurzgeschichten

Zwei Dutzend Kurzgeschichten habe er schon zusammen. Wenn die Zeit reif sei, werde er sie veröffentlichen. Einen Titel habe das Buch schon: "Ihr + Ich" soll es einmal heißen. Das "Ihr" – das sind die Menschen, denen Alfred Abel in seinem Leben begegnet ist – und mit denen er ungewöhnliche, eigentümliche, besondere Erlebnisse teilte. So wie "Die Blinde"; so heißt eine dieser Geschichten. Es war an einem späten Abend, als Abel von einem Besuch bei einer seiner Töchter in Weimar mit dem Zug zurück nach Bad Herrenalb fuhr. Neben ihm saß ein Ehepaar, die Frau offenbar blind. Ihr Mann behandelte sie denkbar schlecht.

Abel sprach die Blinde an, unterhielt sich mit ihr. Nicht mit ihm. Über alles Mögliche. Irgendwann sangen er und die Blinde zusammen Lieder, die ihnen beiden gefielen. Einfach so. Ein Moment voll unendlicher Poesie. Irgendwie komplett unwirklich. Aber doch an diesem Abend wahre Realität. Der böse, gemeine Ehemann habe sich irgendwann "verkrochen" – in die Flucht geschlagen wohl von soviel Schönheit des Augenblicks, der nur Abel und der Blinden gehörte. Und der noch eine starke Steigerung erfahren sollte: "Kurz vor Bad Herrenalb ging die Straßenbahn einfach kaputt", erzählt Abel. "Wir alle mussten auf freiem Feld aussteigen und in finsterer Nacht die Gleise entlang bis zum nächsten Ort laufen." Die Stunde der Blinden, der die Dunkelheit nichts anhaben konnte. Und die die in dieser Nacht gar nichts mehr Sehenden souverän an- und nach Hause führte.

Eine schöne Geschichte, die das Leben schrieb. Und die mit dezenter Einflussnahme vom "Architekten des Lebens" Alfred Abel ein wenig mit gestaltet wurde. Und von ihm aufgeschrieben wurde. "Ich kann keine Geschichten erfinden", sagt der Mann mit dem Schreiber und dem Blatt Papier. "Ich kann sie nur aufschreiben. Und damit für mich bannen – so wie man den Teufel bannt." Wieder einer dieser Sätze von Abel, über die man nachdenken muss, um sie in ihrer ganzen Dimension zu begreifen. Vielleicht meint er, dass er diese Situationen wie die mit der Blinden nicht sucht – sondern ihnen ausgeliefert ist, und handelt, wie es ihm die Schönheit, sein ästhetisches Empfinden befiehlt. Und dabei, wie jeder Künstler, viel von seiner Kraft und Lebensenergie lassen muss. Weil das Leben so einfach intensiver ist. Tiefer. Kräftezehrender. Aber, wenn die Teufel erst einmal gebannt sind, auch sehr viel erfüllender.

Und schon kommt der nächste dieser geschliffenen Sätze: "Sprache ist für mich wie Wein – Schönheit als Verdichtung von Wissen und Weisheit." Der persönliche "Teufel" von Alfred Abel in diesem Satz: Als Kind in Germersheim in der Pfalz, wo er aufwuchs, wurde er als Sohn einer russischen Mutter und eines ukrainischen Vaters in der Schule für sein schlechtes Deutsch gehänselt. Es werden viele Geschichten sein, die diese "Teufel" bannten. Heute beherrscht er die Sprache Goethes wie kaum ein Zweiter. Man ahnt jetzt, wo diese tiefe Empathie herkommt, mit der Abel Anteil und Partei nimmt am Schicksal von Menschen wie jener Blinden.

"Ich erlebe mein Leben wie ein Theater – wie ein gutes Theater", sagt Abel noch. "Und schreibe es dann nieder." Manchmal Komödie, manchmal aber auch Tragödie. "Aber immer voller Schönheit."