Mit 50 US Dollar kamen Saied Kaviane und Asya El-Ifary 1986 in Deutschland an, jeder kann seine Chance ergreifen, da ist sich Saied Kafiani sicher. Das Buch des Dichters und Mystikers Hafis ist mit das wertvollste, das sie haben. Sie möchten es der Stadt Bad Dürrheim schenken, um ihre Dankbarkeit für die Aufnahme und für neue Chance im Leben auszudrücken. Foto: Strohmeier Foto: Schwarzwälder-Bote

Heimat: Das Ehepaar Saied Kaviani und Asya El-Ifary kam vor 30 Jahren nach Deutschland

Von Wilfried Strohmeier

"Bad Dürrheim hat mir viel gegeben", blickt der Familienvater Saied Kaviane zurück. Er kam während des Iran-Irak-Kriegs nach Deutschland.

Bad Dürrheim. Saied Kaviani kennt viele Flüchtlinge, er kennt diejenigen, die "vom ganzen Herzen" in Deutschland ihre Chancen nutzen wollen, ärgert sich aber auch über die, die nur die Hände in den Schoß legen.

Der Familienvater hat fünf Kinder, als er nach Deutschland kam, hatte er und seine Familie das, was sie auf dem Leib trugen und 50 US Dollar. Mittlerweile sind seine Kinder erwachsen, haben alle eine Ausbildung oder ein Studium erfolgreich abgeschlossen.

Seine Deportations- und Fluchtgeschichte beginnt im Jahr 1984, während des Iran-Irak-Kriegs, der 1980 entbrannte. Damals wurde er vom Irak in den Iran deportiert. Der Grund: Seine Vorfahren waren vor einigen Jahrhunderten aus Persien gekommen. Seine Frau und damals vier Kinder musste er zurücklassen. Sein Bruder wurde umgebracht, ein Grab, an dem die Familie trauern und seiner gedenken könnte, gibt es nicht. Im Iran arbeitete der Agraringenieur auf einer Milchfarm mit rund 800 Kühen, er sammelte Geld, und irgendwann hatte er so viel zusammen, dass seine Familie über die Berge ebenfalls in den Iran fliehen konnte. Fünf Tage Fußmarsch, mitten durch Kriegsgebiet, in dem mit Gewehren und Kanonen geschossen wurde. Es ging weiter in die Türkei und 1986 schließlich nach Deutschland. Hier kam dann das fünfte Kind auf die Welt.

Saied Kaviani erinnert sich. Sie bekamen eine Wohnung in der Scheffelstraße, diese war voll ausgestattet mit Möbeln, sogar Spielzeug für die Kinder gab es. Für ihn war das der Grundstein für einen erfolgreichen Neuanfang. Ein weiterer Grundstein war für das Ehepaar der Deutschkurs, den sie innerhalb von sechs Monaten absolvierten. Es gab viele Abbrecher damals, erinnert er sich.

Er hatte zeitweise drei Jobs, um seine Familie zu ernähren. Einer davon war im Schwenninger Schlachthof. Er verdiente 1,50 Euro pro Stunde, wollte jedoch unbedingt arbeiten und vor allem war dies für ihn der Ort, an dem er viel Deutsch lernen und Kontakte mit den Deutschen knüpfen konnte. Später versuchte er es mit einer Tankstelle und hatte auch einige Rückschläge zu verkraften. Seine Frau, Asya El-Ifary, eigentlich Lehrerin, arbeitete in einer Kurklinik und hatte auch die Chance, ein Jahr in Dubai zu arbeiten. Diese Möglichkeit bekam sie über ihren Sohn Mohamed, der fünf Jahre mit seiner Familie in dem Emirat lebte und arbeitete. Am Schluss hatte sie sechs Jahre eine Änderungsschneiderei am Lindenplatz. Diese musste sie verkaufen, da sie Schwierigkeiten mit den Augen bekam.

"Jeder kann die Chance nutzen, wenn er nach Deutschland kommt", blickt er auf die vergangenen Jahrzehnte zurück. Er hat einiges erlebt in seiner Arbeitswelt und weiß, wovon er spricht. Er hatte auch Arbeitskollegen, die irgendwann lieber vom Sozialamt lebten als arbeiten gingen, was ihn damals schon ärgerte. Er jedoch sah die Chancen – vor allem im Bezug auf seine Kinder.

Esat, sein ältester Sohn, machte seine Ausbildung als Mechatroniker, arbeitet in Bad Dürrheim und lebt in Schwenningen. Sein Sohn Ali hat zunächst eine Maurerlehre abgeschlossen, danach Kunststoff-Formgeber und in dieser Branche absolvierte er eine Weiterbildung zum Industriemeister. Mohamed studierte Informatik. Er lebt in Bad Dürrheim und ist für sein Unternehmen auf der ganzen Welt tätig. Seine Tochter Sara hat nach dem Abitur zunächst Medizin studiert, doch war das nicht ganz das Richtige für sie. "Es war ihr zu viel Blut", erzählt der Vater. Danach studierte sie Sport auf Lehramt und Fremdsprachen. Heute lebt und arbeitet sie in München und ist mit einem Christen verheiratet. Ein Problem ist das für den Vater nicht. Samer Kaviani, der jüngste und in Deutschland geborene, lernte in der Galvanotechnik und machte ebenfalls seinen Meister – als bester seines Jahrgangs in Baden-Württemberg. Er lebt und arbeitet in Bretten bei Pforzheim.

Saied Kaviane und seine Frau Asya El-Ifary leben heute in einer Eigentumswohnung im Wasserstein, beide sind Rentner und versuchen, der Gesellschaft etwas zurückzugeben von dem, was sie bekamen. So engagiert er sich in der Flüchtlingsarbeit – vor allem als ehrenamtlicher Dolmetscher. Und er möchte gerne noch ein weiteres tun. Er hat eine wertvolle Ausgabe eines Werks von Hafis Shirazi. Dieser ist einer der bekanntesten Dichter und Mystiker Persiens und lebte von zirka 1315 bis 1390 in Schiras, das im heutigen Iran liegt. Er inspirierte Goethe mehrere Jahrhunderte später zu dem Gedichtzyklus "West-Östlicher Divan". Die Reinschrift dieses Werks lagert im Goethe-Schiller-Archiv Weimar und ist heute Teil des UNESCO-Weltdokumentenerbes.

Es gibt in Weimar auf dem Beethovenplatz zusätzlich ein Goethe-Hafis-Denkmal. Dieses besteht aus zwei sich gegenüberstehenden Stühlen aus Granit, die ost-westlich ausgerichtet sind. Sie sollen an die Begegnung Goethes mit dem Werk Hafis erinnern. Von Goethe ist überliefert, dass er folgendes über Hafis sagte: Er wünschte sich, er hätte einen Bruder wie Hafis. Das wertvolle Buch möchten Saied Kaviane und seine Ehefrau der Stadt Bad Dürrheim schenken als Zeichen der Dankbarkeit für die guten Jahre, die sie hier verbrachten.

Ob es ein zurück in die alte Heimat Irak gibt? Nein. Asya El-Ifary war 2010 in Bagdad. Sie besuchte ihre zehn Geschwister und wollte das Elternhaus sehen. Doch das fand sie zerstört vor. Und vor allem: Die Kinder würden nicht mitgehen.