Das Thema unechte Teilortswahl scheint der Bevölkerung in Althengstett, Neuhengstett und Ottenbron nicht besonders unter den Nägeln zu brennen. Bei der Informationsveranstaltung am Montagabend blieben Gemeinde- und Ortschaftsräte sowie Vertreter der Verwaltung jedenfalls fast unter sich. Fotos: Fritsch Foto: Schwarzwälder-Bote

Kommunales: Mehr als bescheidenes Interesse am Informationsabend zur unechten Teilortswahl / Bereits viel Einfluss abgegeben

Ein Bürgerentscheid über die Abschaffung der unechten Teilortswahl scheint in Althengstett nicht nötig. Die mehr als bescheidene Resonanz auf den Infoabend zum Thema legt nahe, dass letztlich der Gemeinderat darüber abstimmen wird.

Althengstett-Ottenbronn. "ue TOW" – schon die Abkürzung für die Sonderregelung im Kommunalwahlrecht ist sperrig. In der Praxis ist die unechte Wahl nicht minder unbequem, weil sie zu kompliziert ist und den Wählerwillen zum Teil gar nicht exakt abzubilden vermag. Über die Vor- und Nachteile sprach am Montagabend Kommunalberater Johannes Stingl aus Neu-Ulm bei der öffentlichen Informationsveranstaltung der Gemeinde in der Ottenbronner Mehrzweckhalle. Die Veranstaltung stieß auf nur geringes Interesse. Die meisten Zuhörer waren Gemeinde- und Ortschaftsräte sowie Mitarbeiter der Gemeinde- und Ortschaftsverwaltungen.

Nach 3300 nur noch 1100

Stingl ging zum einen auf die Entstehung dieses besonderen Wahlverfahrens ein, zum anderen auf dessen Vor- und Nachteile. In der 1970er-Jahren wurden zahlreiche kleine Orte in größere Kommunen eingemeindet. Aus 3300 Kommunen in Baden-Württemberg wurden so 1100.

Die kleineren Orte befürchteten, benachteiligt zu werden. So kam es dazu, dass durch das damals neue Wahlverfahren jeder Teilgemeinde proportional zu ihrer Einwohnerzahl eine bestimmte Anzahl von Gemeinderäten garantiert wurde. Diese Anteile betragen heute für Althengstett 60 Prozent, für Neuhengstett 22 Prozent und für Ottenbronn 18 Prozent. Bei der Abschaffung der unechten Teilortswahl wäre diese Zusammensetzung nicht mehr garantiert.

Für die unechte Teilortswahl sprechen neben der "gerechten" Sitzverteilung nach Einwohnerzahl, dass sie das Zusammenwachsen der Stadtteile förderte und fördert sowie Vertreter mit guten Kenntnissen der jeweiligen Orte im Gemeinderat vertreten sind.

Dagegen spricht, dass Wähler ihre Stimmen primär nach Wahlbezirken abgeben, dass die Wahlergebnisse verzerrt werden und schwer durchschaubar sind. Es kommt häufig zu ungültigen Stimmen, und die Suche nach Kandidaten, die sich in der Kommunalpolitik einbringen wollen, wird erschwert. Bei der jüngsten Kommunalwahl 2014 gab es in Althengstett 155 ungültige Stimmzettel, folglich 5507 ungültige Stimmen/Fehlstimmen.

Die unechte Wahl kommt in Althengstett laut Bürgermeister Clemens Götz gar nicht zum Tragen, weil man bewusst Macht und Einfluss an die Ortschaftsräte abgegeben hat. Beispiele hierfür sind die Umgestaltung der Ottenbronner Ortsmitte und die Ausweisung des Baugebiets Brunnenstraße in Neuhengstett.

Die Praxis der vergangenen Jahre entspreche nicht der eigentlichen Regelung in der Hauptsatzung der Gemeinde, wonach sich die nach der unechten Teilortswahl gewählten Gemeinderäte für die Ortsteile und ihre Belange einsetzen. Vielmehr würden die Gemeinderäte den Gesamtort vertreten: "Bei all den Entscheidungen der vergangenen Jahre haben die Räte immer Verantwortung fürs Ganze übernommen". An keinem Beschluss habe man ablesen können, wer aus welchem Ortsteil stamme.

Verfassungen gestärkt

Durch die Abschaffung der unechten Wahl könnten die Ortschaftsverfassungen gestärkt werden, die Beratungsgremien sowie Verwaltungen in den beiden Ortsteilen würden an Gewicht gewinnen, sagte Neuhengstetts Ortsvorsteher Gerhard Dietz. "Die Ortschaftsräte haben in den vergangenen Jahren immer mehr Kompetenzen bekommen. Jetzt können wir die Gremien noch mehr stärken", äußerte sich sein Ottenbronner Amtskollege Richard Dipper.

Bei dieser wichtigen kommunalen Entscheidung lässt man sich in der Verwaltung sowie den Beratungsgremien weiter Zeit, um sich gründlich mit dem Für und Wider der unechten Wahl zu beschäftigen. Dazu gehörte auch der Infoabend am Montag. Nun wird das Thema an die Ortschaftsräte Neuhengstett und Ottenbronn weitergereicht, bevor festgelegt werden kann, ob der Althengstetter Gemeinderat über die Abschaffung der umstrittensten Regelung im baden-württembergischen Kommunalwahlrecht entscheiden soll.

Althengstett-Ottenbronn (msw). Beispielhaft führte Kommunalberater Johannes Stingl einige Fragen an, die ihm im Zusammenhang mit der Abschaffung der unechten Teilortswahl immer wieder gestellt werden.

Ist es richtig, dass ohne unechte Teilortswahl (ue TOW) kein Vertreter eines bestimmten Stadtteils im Gemeinderat vertreten wäre?

Der Umkehrschluss, dass es ohne ue TOW keinen Vertreter zum Beispiel im Stadtteil A gibt, ist nicht richtig, weil die Anzahl der jeweiligen Vertreter aus diesen Stadtteilen von den Bewerbern, deren Listenplätzen und dem Wahlverhalten abhängt. Die Gemeinderäte sollten die Interessen der Gesamtgemeinde vertreten und nicht nur die Interessen eines einzelnen Ortsteils.

Kann die Vertretung für den Ortsteil ohne ue TOW sichergestellt werden?

Dies hängt vom Wähler ab, der bevorzugt Kandidaten aus seinem Ortsteil wählen kann. Die Wahlvorschläge der Parteien und der Wählervereinigungen sollten alle Ortsteile berücksichtigen. Die Ortsteilherkunft bleibt auf dem Stimmzettel sichtbar. Bei guten Kandidaten aus dem Ortsteil kann davon ausgegangen werden, dass jeder Ortsteil dann auch im Gemeinderat vertreten ist.

Hat die Abschaffung der ue TOW Auswirkungen auf die Einrichtung von Ortschaftsräten und die Ernennung von Ortsvorstehern?

Im Grunde haben ue TOW und Ortschaftsverfassung die gleiche Zielrichtung – Erleichterung der Integration von Gemeinden und Interessenvertretung der Ortsteile. Aber es sind in kommunalrechtlicher Hinsicht verschiedene Systeme. Sollte die ue TOW abgeschafft werden, kann sich tendenziell sogar eine Aufwertung der Ortschaftsverfassung ergeben.

Kann der Wähler ohne ue TOW Kandidaten aus seinem Ortsteil besonders wählen?

Ohne ue TOW entfällt die Beschränkung, nur einer bestimmten Anzahl von Kandidaten aus einem Wohnbezirk Stimmen geben zu können. Ansonsten müssen zur Ausschöpfung des eigenen Stimmenkontigents Kandidaten aus anderen Ortsteilen mitgewählt werden. Es ist weiterhin möglich, Kandidaten aus dem eigenen Ortsteil zu wählen.

Gibt es Probleme für den Wähler bei der unechten Teilortswahl?

Bei den nach Wohnbezirken gegliederten Stimmzetteln muss mehrmals nachgezählt werden, um bei diesem komplizierten Wahlsystem zu verhindern, dass zu viele oder eben auch zu wenige Stimmen abgegeben werden. Es müssen insgesamt alle Wohnbezirke stimmen, sonst drohen überdurchschnittlich viele ungültige Stimmen und ungültige Stimmzettel.

Warum sind ungültige Stimmen oder Stimmzettel hier ein besonderes Problem?

Ungültige Stimmen oder Stimmzettel gibt es bei jeder Wahl. Es werden ganze Stimmzettel ungültig, weil zu viele Stimmen vergeben wurden oder es werden Wohnbezirke ungültig, weil zu vielen Kandidaten im Wohnbezirk Stimmen vergeben wurden. Genau der Wohnbezirk, den der Wähler eigentlich stärken wollte, entfällt unter Umständen insgesamt. Dies verzerrt den Wählerwillen.