Als Prädikant übernimmt der 66-jährige Reinhard Bartsch aus Spielberg vertretungsweise Gottesdienste

Von Manfred Köncke

Altensteig-Spielberg. Wenn der Pfarrer krank oder in Urlaub ist, ruft Dekan Ralf Albrecht einen von 29 Prädikanten im Kirchenbezirk Nagold an, ob er den Gottesdienst halten könnte. Einer von ihnen ist Reinhard Bartsch aus Spielberg.

Der Opa des gebürtigen Hamburgers war Pfarrer von Beruf. "Er hat mir als Kind viel vom christlichen Glauben erzählt", erinnert sich der 66-Jährige. Deshalb habe er nach dem Abitur an einer deutschen Schule in Finnland – der Vater leitete das Goethe-Institut in Helsinki – Theologie studieren wollen. Dass die Erde nicht durch einen Urknall, "sondern durch den himmlischen Schöpfer" entstand, habe für ihn schon früh festgestanden.

Aus dem Berufswunsch wurde nichts, weil ihm die inzwischen nach Deutschland zurückgekehrten Eltern nahelegten, wie der Onkel und der Vetter Jura zu studieren. Nach fünf Semestern war Schluss: "Der trockene Stoff war nichts für mich."

Bartsch wollte durch die Welt reisen, Menschen unterschiedlicher Kulturen kennenlernen, erfahren, wie sie leben, arbeiten und wirtschaften. Deshalb studierte er an der Universität Stuttgart-Hohenheim Agrarökonomie und promovierte über das Thema "Schädlingsbekämpfung im Sudan". Im Auftrag der GTZ (Deutsche Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit) managte er anschließend Projekte in Syrien, Jordanien, Eritrea, Marokko, im Jemen und in Portugal. Dort freundete er sich mit dem Pfarrer einer deutschen Gemeinde an und gehörte vier Jahre dem Kirchengemeinderat an.

In Jordanien führte Bartsch mit Missionaren lange Gespräche über Gott und die Welt, wollte mehr wissen und schrieb sich in die Fernuniversität Amman ein. Das Studium schloss er als Bachelor of Arts ab. Als der Arabische Frühling 2011 auf den Jemen übergriff und es in der Hauptstadt Sanaa zu blutigen Auseinandersetzungen zwischen Stammesmilizen und Regierungseinheiten kam, musste Bartsch fluchtartig das Land verlassen und kehrte zu seiner Frau und den drei Kindern in das 1979 gekaufte Haus in Spielberg zurück.

Bei einem Gottesdienstbesuch in Egenhausen sprach der 66-Jährige Pfarrer Immanuel Raiser an, ob er als Lektor – so wurden damals die Laienprediger genannt – einspringen könnte. Dekan Albrecht wurde informiert und war einverstanden. Zur Einweisung musste der Agrarökonom drei Seminare besuchen und einen Mentor finden. Der langjährige, inzwischen verstorbene Prädikant Gerhard Sorge aus Altensteig bereite ihn auf den praktischen Gottesdienstablauf vor und gab Tipps, was man dabei besonders beachten müsste. Den ersten Einsatz mit seinem "Lehrer" hielt er in Iselshausen – und noch weitere zehn Gottesdienste. In Schietingen stand er erstmals allein am Altar.

Inzwischen sind es jährlich 25 bis 30 Dienste. Per E-Mail bekommt der Akademiker jedes Mal zwei Lesepredigten zur Auswahl, die mit eigenen Gedanken ergänzt werden können. "Das mache ich immer", ist dem 66-Jährigen wichtig, um manche Dinge stärker herauszuheben und andere Bibelstellen mit eigenen Erfahrungen zu bereichern.

"Der Dienst bereichert mein Leben", freut sich der 66-Jährige auf jeden Anruf der Dekanatssekretärin in Nagold. Auch wenn nur drei Gottesdienstbesucher erscheinen – wie vor einiger Zeit im (katholischen) Vollmaringen geschehen. Ansonsten schreibt der Rentner gerade an einem Roman, liest Bücher in deutscher und englischer Sprache (aufgrund seiner langjährigen Auslandstätigkeit kann er sich auch auf türkisch, finnisch, portugiesisch und arabisch verständigen) und besichtigt mit großem Interesse imposante sakrale und weltliche Bauwerke.

Weitere Informationen: Den nächsten Gottesdienst hält Reinhard Bartsch am Sonntag, 25. Januar, um 10 Uhr in der Michaelskirche Sulz am Eck.