Die Formation LebiDerya begeisterte ihre Altensteiger Zuhörer. Foto: Martin Bernklau Foto: Schwarzwälder-Bote

Quartett reichert Jazz mit Orientalischem an

Von Martin Bernklau

Altensteig. Eine ganz eigene Art von jungem Jazz aus zweierlei Welten, Kulturen und vielerlei Stilen gab es bei gut besetzter Bistro-Bestuhlung im Bürgerhaus zu hören. Mit dem letzten Konzert der Altensteiger Reihe in diesem Jahr eröffnete das Quartett LebiDerya seine Herbst-Tournee durch Deutschland.

Das sind vier herausragende junge Musiker, die sich da seit 2009 im multikulturellen Mannheimer Hafenviertel Jungbusch zum Jazz treffen. Einem Jazz, auf den das Etikett Ethno nun gar nicht passt, weil diese Mischung mindestens genauso viel klassischen Cool Jazz eines Miles Davis enthält wie ausgefeilte Elektroakustik und experimentelle Percussion. Zuweilen ersetzen zerbrechliche Klanggespinste und ausgedehnte Felder von Tönen und Geräuschen auch alle Rhythmen und melodischen Motive.

Das orientalisch-arabische Element in dieser Welt-Musik steuert zum einen der gebürtige Jordanier Salah Eddin Maraqa mit seinem Kanun bei. Das ist eine im Sitzen auf den Beinen gespielte Zither, die mit besonderen Hebeln auf Mikrointervalle stimmbar ist, durch die ganz besondere, eben orientalisch anmutende Tonmodulationen entstehen. Eher ins Persische hat sich der Percussionist Joss Turnbull orientiert, dessen derwischhaft virtuos behandeltes Hauptinstrument die stimmbare, mit Kamelhaut bespannte Tombak ist, eine große, aus Walnussholz geschnitzte Bechertrommel. Aber auch sudanesische Dreier-Bongos spielt er oder die mit Schmuckringen statt Schellen klirrende Rahmentrommel Daf. Nur das Becken ist westlich klassisch. Aber Turnbull behandelt es mit feinen Fingern(ägeln) oder Strohbesen, nie mit Schlägeln.

Nicht nur diese beiden Musiker verändern, verfremden und intensivieren den Klang dieser archaischen Instrumente elektronisch, mit Wiederholungsschleifen von Samples oder Loops, vor allem aber auch mit Halleffekten für eine geheimnisvolle Klangtiefe. Johannes Stange verstärkt so die Melodielinien und Fragmente auf seiner mit Dämpfer verzerrten Trompete oder dem Flügelhorn. Zwar spielt Stefan Baumann auch verschiedene Saxofone. Mit seiner Bassklarinette stellt er aber auch die Basis dieses Jazz und trägt mit den vom Tonabnehmer aufgezeichneten Klappengeräuschen zeitweilig zur Percussion bei.

Der Name der Band bedeutet ungefähr "Rand des Ozeans". Viele der Titel wie "Mad Wa Djazir" ("Gezeiten") oder "Sarab" haben tatsächlich etwas meditativ Sphärisches. Aber das Quartett kann auch, manchmal im selben Stück, in galoppierenden Rhythmen loslegen, ob in komplexen Taktstrukturen des Jazz oder in ungeraden Schlagmustern orientalischer Tänze. Was an ethno-musikalischen Einflüssen Klang wird, hat bei LebiDerya nie etwas folkloristisch Tümelndes, sondern ist Material für einen ganz unverwechselbar schillernden Sound, ob in rasendem Vorantreiben oder in geschichteten, traumverlorenen Klangfeldern, zeitlos, ganz ohne Taktmaß.

An manchen einstimmigen oder oktavierten Parallelen der beiden Blasinstrumente oder des Kanun in aberwitzigem Tempo lässt sich hören, wie präzise die Musiker ihre Stücke ausgearbeitet haben, auch wenn sie wie freie Improvisationen erscheinen mögen. Auch die schwebende Klangbalance ist nicht Zufall oder Launen überlassen, sondern aufs Feinste abgestimmt, mit allen Takt- und Stilwechseln oder den Solo-Passagen aller Instrumente, die den motivischen Stoff eher intensiv verdichten und verwandeln als bloß virtuos Staunen heischen wollen.

Die Zuhörer waren tief beeindruckt und hellauf begeistert. Die Zugabe – vom Album "Orientation" – war Mannheim gewidmet: "Jungbuschfuchs" hieß sie, nach dem quirligen Multikulti-Quartier am alten Rheinhafen.