Vor außergewöhnlicher Kulisse amüsierte Hans Zengeler ein begeistertes Publikum mit einer Lesung aus seinem Roman "Gestorben wird später". Fotos: Eyrich Foto: Schwarzwälder-Bote

Hans Zengeler beschreibt sarkastisch und ironisch die Gefühle seiner Generation / Volles Haus im "Forum Kirche"

Von Karina Eyrich

Albstadt-Ebingen. "Ungewohnt – unbewohnt": Das Motto der Literaturwoche hat das Forum Kirche wörtlich genommen und in der Kapellkirche eine außergewöhnliche Autorenlesung organisiert, bei der die Lebensfreude trotz des ungewöhnlichen Buchtitels obsiegte.

"Im Dunkeln ist gut Munkeln!" An nur wenigen Orten dürfte die ohnehin schon brillante Stimme der Sopranistin Susanne Stierle so wunderschön klingen wie in der kühlen Kapellkirche, die so dunkel gar nicht ist: Zur Lesung des Autors Hans Zengeler haben die Organisatoren – das Forum Kirche mit Klaus Backhaus – Kerzen aufgestellt, viele Kerzen. Und so liest der gebürtige Ebinger, Jahrgang 1945, in sakraler Atmosphäre aus seinem Roman, den er seiner Generation auf den Leib geschrieben hat: "Gestorben wird später."

"Lange leben will jeder, alt werden keiner" – Zengelers kurze Eingangsbemerkung wäre schon eine perfekte Inhaltsangabe, hätte er nicht so viel schöner und ausführlicher beschrieben, was Josef Bloch, seinen Romanhelden an der Schwelle zum 60. Lebensjahr, bewegt. Josef, Kettenraucher, aber noch topfit, wird plötzlich schlagartig von der Angst vor dem Alter eingeholt, als er seinen Freund Boris anruft und von ihm hört: "Ich bin weg." Von Gitta erfährt er, was ihm ohnehin schwante: Boris ist tot. Und Bloch steht eine Operation bevor, bei der es ihm "buchstäblich an den Kragen geht" – Schilddrüsenkrebs.

Alles könnte zum letzten Mal geschehen

Von nun an sieht Bloch das Leben mit anderen Augen, könnte doch "alles, was er nun tat, zum letzten Mal geschehen". Wie sehr Josef Bloch die Aussicht auf einen baldigen Total-Ruhestand verwirrt, erzählt Hans Zengeler nicht nur mit ernsten Worten: Sarkastisch, ironisch, voller Galgenhumor ist sein Buch, in dem er zeitlich hin und her springt.

Nicht mehr so weit bis zum Himmelstor

Bloch weidet sich an seinem Selbstmitleid, rückt plötzlich ins Zentrum der eigenen Welt und sucht böse Omen, wo immer er sie finden kann: Im Krankenhausaufzug geht es aufwärts – "damit man es nachher nicht mehr so weit hat?". Keiner sitzt im Publikum, der solche Gedanken nicht schon einmal gedacht hat, die jüngsten Zuhörer vielleicht ausgenommen.

Gut, dass Susanne Stierle zwischendurch wieder zur Gitarre greift und mit wunderschöner Musik solche Endzeitgedanken vertreibt: auf Deutsch und Italienisch, mit Rilke-Texten und ihrer großartigen Stimme. Eine Stimme wie die eines Engels. Aber nein – der Vergleich passt nicht zum Ende von Hans Zengelers Buch, kriegt Josef Bloch doch unerwartet die Kurve zurück ins Leben. Und das ist jetzt noch viel, viel schöner.

Das Buch: Zengeler, Hans: Gestorben wird später. Shaker Media 2009, 212 Seiten, kartoniert, ISBN-13: 978-3868582031, 14,80 Euro