Das BGB ist auch im laufenden Prozess vor dem Landgericht Hechingen Maß aller Dinge. Foto: Archiv

Zeugen schildern Tathergang vor dem Landgericht Hechingen. 28-Jährigem wird versuchter Totschlag vorgeworfen.

Albstadt/Hechingen - Er soll einen Freund aus Lautlingen mit einer Gartenschere attackiert haben – aus diesem Grund muss sich ein 28-Jähriger aus Unterbalbach im Main-Tauber-Kreis nun vor dem Hechinger Landgericht wegen versuchten Totschlags verantworten.

Am Freitag, dem vierten Verhandlungstag, wurde das mutmaßliche Opfer zum Tathergang angehört. Der 40-Jährige hatte, wie er im Zeugenstand erklärte, den Angeklagten in einer psychiatrischen Einrichtung kennengelernt und sich auf Anhieb gut mit ihm verstanden. Auch nach der Therapie habe man Kontakt zueinander gehalten, und im August des vergangenen Jahres sei der Angeklagte für drei Tage nach Lautlingen gekommen. Sie seien zu zweit im Schwimmbad gewesen, berichtete der Zeuge, hätten Spaziergänge unternommen, viel geredet und "eine tolle Zeit" verbracht, bis der Angeklagte nach einem Grillfest aus heiterem Himmel aggressiv geworden sei und ihn beschimpft habe.

Er habe darauf versucht die Sache gutgelaunt zu nehmen, doch da habe der andere gedacht, er mache sich über ihn lustig, und sei "ausgetickt": Er habe ihm mit einer Gartenschere in den Hals gestochen und ihm Tritte und Schläge verpasst. Das Opfer wehrte sich laut eigenen Angaben, indem es dem Angeklagten eine Glasflasche mehrmals kräftig über den Kopf schlug – danach suchte der Gast durch ein offenes Fenster das Weite. Der Einstich am Hals des Opfers erforderte eine Notoperation; noch heute, gab der Mann an, habe er in der rechten Kopf- und Halsgegend kein Gefühl. Seinen Beruf als Lagerarbeiter habe er aufgeben müssen, weil er die Tat psychisch nicht verkraftete.

So die Darstellung des Albstädters – von der Richterin, die den Angeklagten im vergangenen Jahr nach seiner Festnahme vernommen hatte, wurde das Gericht über seine Sicht der Dinge unterrichtet. Der 28-Jährige habe anfangs jede Aussage verweigert, doch dann sei es aus ihm herausgebrochen: Er habe seinen Gastgeber bestimmt nicht verletzen wollen, sich aber sehr darüber geärgert, dass dieser ihn immer "analysieren" wollte. "Er war so überheblich". Ein weiterer Richter, der seinerzeit die Unterbringung des Angeklagten angeordnet hatte, schilderte die Situation ähnlich: Der Angeklagte hatte, wie er aussagte, den Eindruck, der andere mache sich über ihn lustig, und versuchte, ihn irgendwie zum Schweigen zu bringen – deshalb habe er zur Gartenschere gegriffen.

Fraglich erschien dem Gericht allerdings, ob sich das Opfer tatsächlich nur mit einer Flasche gewehrt hatte. Die vier Zentimeter lange Wunde am Kopf könnte so entstanden sein – aber eben auch anders, nämlich durch eine Attacke mit einem spitzen Gegenstand. Weitere Narben am Körper des Angeklagten legen den Verdacht nahe, dass auch das Opfer selbst die Gartenschere als Waffe gebraucht habe.

Zwar bescheinigte dem 40-Jährigen seine Ex-Freundin vor Gericht, er versuche, Streit aus dem Weg zu gehen, doch ist auch er schon in der Öffentlichkeit gewalttätig gewesen. Im September 2013 soll er, nachdem er in einer Gastwirtschaft in eine Schlägerei verwickelt war und Hausverbot erhalten hatte, zu später Stunde den Wirt attackiert und ihm mit einer Schere Schnittwunden zugefügt haben. Ein Vorfall, den er laut eigener Aussage heute sehr bedauert, der aber gleichwohl Zweifel daran weckt, dass der 40-Jährige bei der Ausseinandersetzung mit dem Besucher aus dem Taubertal ausschließlich Opfer war. Wie bereits früher im Prozess festgestellt wurde, standen seinerzeit beide Männer unter dem Einfluss von Amphetaminen und Cannabenoiden.