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"Die Schatztruhe leert sich wieder." Debütanten schlagen sich hervorragend. Viele Zuhörer verfolgen Sitzung.

Albstadt - Der Albstädter Gemeinderat hat gestern den Haushalt 2015 verabschiedet. Der Tenor der Reden: Angesichts eines beunruhigenden Investitionsstaus, immenser Kosten für anstehende Sanierungsprojekte und schrumpfender Reserven gelte es, den Gürtel enger zu schnallen.

In ihrer Gesamteinschätzung von Albstadts Finanzlage lagen die Vertreter der drei großen Fraktionen gar nicht so weit auseinander; der Ton, der die Musik macht, fiel allerdings von Rede zu Rede anders aus. Roland Tralmer, Fraktionschef der CDU, hält das Glas für "halb voll" und die Leistungsbilanz der vergangenen Jahre für ansehnlich, Elmar Maute, der Anführer der SPD-Fraktion, dagegen entwarf das überaus anschauliche Bild eines Schiffes "Albstadt" mit fröhlichem Partybetrieb und spendablem Personal auf der Kommandobrücke einerseits, zerschlissenen Segeln, undichter Beplankung und klammer Kasse andererseits: Mehrfach, klagte Maute, seien in jüngster Vergangenheit Kostenüberschreitungen, etwa beim Campingplatz und den Tailfinger Hochbauprojekten, in einer Manier nachfinanziert worden, die einer "Aushebelung des Haushaltsrechts" – immerhin "Königsrecht des Gemeinderats" – gleichkomme.

Die undichten Planken des Schiffes Albstadt

Die guten Steuereinnahmen der vergangen Jahre hätten es, so Maute, zwar ermöglicht, Schulden abzubauen, aber die Liquidität sei nun auch erschöpft, die fetten Jahre gingen zu Ende, und angesichts eines Sanierungsbedarfs von Hallen, Straßen und Kläranlagen in vielfacher Millionenhöhe – die "undichten Planken" des kommunalen Schiffs – , sowie wachsender Transferleistungen und Umlagen sei es abzusehen, dass es wieder zu einer Neuverschuldung kommen werde. "Die Schatztruhe leert sich."

Manuela Heider (Freie Wähler), die – wie Maute und Tralmer vor ihr – als Haushaltsrednerin debütierte, stellte, weniger bildhaft und moderater im Ton, eine ähnliche Diagnose: Auch sie verwies auf die veranschlagten Kosten von Hallen- und Kläranlagensanierung – zusammen über 60 Millionen Euro –, und die geplante Anhebung des Hebesatzes der Kreisumlage von knapp 29 auf 30 Prozentpunkte. Auch bei der sozialen und pädagogischen Infrastruktur, bei der Betreuung in Kindergärten, Schulen und bei der durchs schleichende Praxensterben bedrohten medizinischen Versorgung sieht sie besonderen Investitions- und Handlungsbedarf. Anders als CDU-Mann Tralmer hält sie den seit 1984 gleich gebliebenen Hebesatz der Gewerbsteuer offenbar nicht für unantastbar.

Philipp Kalenbach übte, genau wie Maute, geharnischte Kritik an städtischer "Gutachteritis", konstatierte angesichts von Personalausgaben in Höhe von 30 Millionen Euro "Überbürokratisierung" und mahnte mehr städtische Aktivität bei der Verfügbarmachung von Gewerbeflächen an: Auf die Erschließung des Lautlinger Gebiets Hirnau könne man nicht warten; ob nicht der Ebinger Bildstock oder Flächen östlich von Laufen in Betracht kämen?

"Nicht überall ist alles möglich"

Andreas Laib, Sprecher der Grünen, warf der Stadt mehr oder weniger unverblümt Konzeptlosigkeit und "spontane Beliebigkeit" vor: In Tailfingen etwa werde derzeit investiert, aber zu welchem Ende, das sei keinem so richtig klar. Es bedürfe einer Strategie für die Gesamtstadt, geleitet von der Einsicht, dass man angesichts der demografischen Entwicklung und der finanziellen Einschränkungen nicht in jedem Stadtteil alles bieten könne.

Elke Rapthel sieht das ganz anders: Die ZUG-Stadträtin wehrt sich gegen die "Diffamierung völlig berechtigter Klagen aus den Stadtteilen als kleinkariertes Einzelstadtteildenken"; im Übrigen erkennt sie im Haushaltsplan 2015 die Handschrift einer Verwaltung, die ausschließlich auf Kosten von Familien, Schüler, Alten und dem kleinen Mann spare, den Unternehmen aber "jeden Freundschaftsdienst" erweise. Sie stimmte gegen den Haushaltsentwurf; die Mehrheit der Gemeinderäte stimmte zu.

 Elmar Mautes verbale Reise auf dem "Schiff Albstadt":

(mak). Gespart werden muss – aber wie, wann und vor allem woran? Eine leidenschaftliche Diskussion über diese Fragen entzündete sich gestern im Anschluss an die Haushaltsreden am Antrag der SPD, die Verwaltung möge den Haushalt 2015 noch einmal durchforsten und binnen drei Monaten Ausgaben in Höhe von weiteren 2,5 Millionen Euro "ausschwitzen".

Der Dissens ging dabei mitten durch die Fraktionen von CDU und Freien Wählern; das Abstimmungsergebnis fiel am Ende denkbar knapp aus; 14 Gemeinderäte stimmten für den Antrag, 16 dagegen, einer enthielt sich.

"In guten Zeiten für schlechte sparen"

SPD-Fraktionschef Elmar Maute hatte den Antrag mit dem alten Prinzip begründet, dass man in guten Zeiten für die schlechten sparen müsse – "Wenn nicht jetzt, wann dann?" – und sich überzeugt davon gezeigt, dass es auch in diesem mehrfach überarbeiteten Haushaltsplan noch Ansatzpunkte für den Rotstift geben müsse: Bei den Bauinvestitionen habe sich das Baudezernat wie immer über-nommen, bei der Tourismus-förderung und besonders bei den inflationär erstellten Konzepten und Gutachten gebe es Spielräume, und auch bei der Neugestaltung der Unteren Vorstadt in Ebingen, dem Radwegekonzept, der Spielraumentwicklungsplanung und den Sporthallen gebe es gewiss Sparpotenziale – die drei letztgenannten Empfehlungen hatte übrigens auch Kollege Roland Tralmer von der CDU in seiner Haushaltsrede vorgebracht.

Baubürgermeister Udo Hollauer widersprach: Konzepte und Gutachten gäben ganz bestimmt keine Millionen her, viele Ausgaben entfielen auf laufende Maßnahmen, und dass an Schulsanierungen gespart werde, das könne ja nicht der Ernst des Pädagogen Maute sein. Auch Hollauer fragte: "Wenn nicht jetzt, wann dann?" – allerdings sprach er vom Investieren, das beim derzeitigen Zinsniveau doch das Gebot der Stunde sei – Schieben bedeute eben nicht Sparen, sondern derzeit eher das Gegenteil. Argumentationshilfe erhielt Hollauer unter anderem vom Grünen Andreas Laib und von Klaus Konzelmann von den Freien Wählern.

"Sparen blockiert die Aktivitäten"

Laib erklärte, man verabschiede einen Haushalt doch nicht, um ihn danach erneut zu diskutieren – etwaige Sparvorschläge der Stadt müssten ja erneut vom Gemeinderat abgesegnet werden –, und Konzelmann warnte, die Suche nach Sparpotenzialen werde die Aktivität der Stadtverwaltung ausgerechnet zu einem Zeitpunkt blockieren, zu dem man noch zu günstigen Konditionen Handwerker bekommen könne. "Im April ist es zu spät, da sind die Baupreise wieder jenseits von Gut und Böse."

Der SPD kam mit ihrem Antrag nicht durch – mehr Erfolg hatten CDU und Freie Wähler mit ihren. Letztere hatten die Erhöhung der Vergnügungssteuer von 20 auf 23 Prozent gefordert und breite Zustimmung erhalten. Etwas mehr Überzeugungsarbeit mussten die Christdemokraten und ihre Unterstützer aus anderen Fraktionen für die Forderung nach einem mit – fürs Erste – 200.000 Euro ausgestatteten ganzheitlichen Standortmarketing" leisten. Oberbürgermeister Jürgen Gneveckow nannte etliche Einzelmaßnahmen, welche die städtische Öffentlichkeitsarbeit auf den Weg gebracht habe, bekam aber von Tralmer zu hören, dass es um etwas anderes gehe: um eine einheitliche Strategie, die viel zu wenig bekannten Qualitäten des Standorts Albstadt deutschlandweit bekannt zu machen.

Wem bekannt zu machen, wollte der Oberbürgermeister wissen. Allen möglichen Zielgruppen, lautete die Antwort: Investoren, Facharbeiter, Familien, Jungärzte, Studenten – alle könnten sich angesprochen fühlen.

"Dafür reicht diese Summe niemals aus"

Zu unspezifisch, meinte Gneveckow, für diese heterogene Kundschaft würden 200.000 Euro niemals reichen. Möglich, lautete die Gegenrede, aber dann müsse man halt nachlegen: Im Augenblick, so Andreas Laib, gehe es um einen Einstieg; danach werde man weiter sehen. Der Antrag wurde mit großer Mehrheit angenommen.

Albstadt. Mit einem Schiff verglich SPD-Fraktionschef Elmar Maute in seiner Haushaltsrede die Stadt Albstadt. Der entsprechende Teil der Rede im Wortlaut:

Wer Haushaltplänen blind vertraut – ist auf hoher See und in der Hand der Verwaltung! Das aber kann so nicht hingenommen werden, ist doch das Haushaltsrecht das Königsrecht des Gemeinderats. Dem Rückblick auf die Jahre 2013 und 2014 folgt nun der Ausblick auf das Haushaltsjahr 2015 und die sich daraus ergebende Bewertung.

Wie ein roter Faden wird sich durch den nun folgenden Teil meiner Haushaltsrede ein Bild, eine Metapher, ziehen, mit welcher ich deutlich machen möchte, was die nüchternen Zahlen des Haushaltsplans 2015 eigentlich bedeuten: das Bild von einem Schiff auf hoher See. Ich möchte Sie einladen, mir durch die Bildergalerie zu folgen – und nicht ungeduldig zu werden. Ich komme nach dem Durchblättern des Bilderbuchs durchaus zur Sache.

Der Titel: "Schiff auf hoher See – Sturm droht" 1. Das Schiff: eine Beschreibung Es ist ein stolzes Schiff, das sich in der See bewegt: eine weithin sichtbare Takelage mit einem farbenfrohen Rigg, das das Schiff ziert und zieht. Acht Unter- und Obermarssegel, ein jedes getrimmt und Matrosen zugeordnet, die bereit sind, die Befehle des Kapitäns umzusetzen. Der Wind weht noch von achtern, das Schiff ist gut in Fahrt. Andere Schiffe nehmen wahr, wie von Bord des Albstadtschiffes immer wieder Feuerwerke abgeschossen werden, damit die Besatzung auf sich aufmerksam macht, um weitere Gäste und Passagiere anzulocken, damit sie auf der Kreuzfahrt mit dabei sind.

Es gibt Sportevents, Literaturtage, Orchesterauftritte, Marktschreier, Schiffs-Feste und -Führungen, Prospekte, CD-Roms, Preisausschreiben, Hochglanzbroschüren, Gaukler und Zauberer, und vieles mehr. Auch Drohnen steigen in den Himmel, um das Geschehen an Deck aus der Vogelperspektive zu filmen und den anderen Schiffsbesatzungen medial gekonnt in die Kajüten zu spiegeln. Man ist bester Dinge und freut sich des Lebens.

Der aufmerksame Beobachter aber ist skeptisch. Das größte Obermarssegel ist sehr in die Jahre gekommen, sein Mast ächzt, die Leinwand ist durchlöchert, der Wind pfeift durch die Ritzen. Der Kapitän, der Steuermann und der Bordingenieur wissen um den Zustand, aber die schwierigen Reparaturen und die neuen Designs müssen erst noch durch einen oder mehrere Gutachter und Preisfindungskommissionen vorbereitet werden. Der Wille zum "Overhaul", zur Generalsanierung des Segels, ist überall spürbar und der Bordingenieur setzt sich mit aller Kraft dafür ein. Aber es braucht Zeit und Geduld.

Den übrigen sechs Segeln sind sechs tüchtige Schiffsunteroffiziere – gemeint sind die Ortsvorsteher – zugeordnet, die selbstbewusst dafür sorgen, dass ihre Segel gebläht und richtig getrimmt sind – und sie geben dem Kapitän sofortige Rückmeldung, sobald sie dies für notwendig erachten. Sie haben die Nase und den Finger immer im Wind.

Die Besatzung ist folgsam und auf Gehorsam getrimmt. Dafür sorgt der Kapitän. Der Kapitän, der Steuermann und der Bordingenieur sind gut dotiert, demnächst noch besser. Das freut sie. Aber es wird an Bord gemunkelt, dass sie sich nicht immer einig sind über den Zustand des Schiffs, den zukünftigen Kurs, die Ausrichtung der Segel, die Unterhaltungskosten für das Schiff oder die Finanzierung der Reise. Andere, nachrangige Besatzungsmitglieder, tragen große Lasten und stöhnen seit vielen Jahren über ihre gekürzten Bezüge: der Bildergalerie, einem Schmuckstück des Schiffs, droht Stillstand oder gar Substanzverlust, den Arbeitern im Schiffsmuseum und an der Dampfmaschine wird karger Lohn oder ehrenamtliche Tätigkeit zugemutet, die verordneten Sparmaßnahmen treffen die Arbeiter und Ruderer, nicht den Kapitän, den Steuermann, oder den Bordingenieur.

Die Schiffskasse: noch voll, aber nicht mehr lange! "Die Schatztruhe ist voll", verkündet der Kapitän. Diese Meinung wird aber nicht von allen Seiten geteilt. Besonders die erfahrenen Experten aus dem Finanzrat des Schiffes erheben mahnend ihre Stimmen. Sie bestehen auf einer mittelfristigen Einnahmen- und Ausgabenplanung und erinnern an bereits eingegangene Zahlungsverpflichtungen, die in den kommenden Jahren fällig werden.

Sturm droht: Die zentrale Wetterstation signalisiert dem Steuermann schlechtes Wetter, Gegenwind, möglicherweise Sturm. Und nachlassende Einkünfte. Der Steuermann runzelt die Stirn und legt sie in tiefe Falten. "Wie krieg ich das nur hin?" So fragt er sich und andere. "Ich will doch keinem weh tun. Und trotzdem: wenn die Einnahmen zurückgehen, muss ich die Ausgaben kürzen. Da führt kein Weg dran vorbei. Das werde ich bei der nächsten Vollversammlung des gewählten Schiffsbeiratsgremiums ganz deutlich sagen. Damit die endlich einmal wissen, was Sache ist."

"Recht so", bestätigt der Kapitän. "Ich brauch aber mehr Geld, nicht weniger", meldet sich der Bordingenieur entschieden zu Wort. "Und außerdem habe ich zu wenig Personal. Bei allem und jedem muss ich externe Gutachten bestellen, sonst geht hier gar nichts mehr."

Während das kursverantwortliche Schiffs-Leitungs-Trio im hitzigen Streitgespräch ist, raut die See auf. Die Wellen schlagen höher gegen die in die Jahre gekommen Planken, und Wasser peitscht auf das Deck. Die Mannschaft und die Passagiere erkennen, dass das Deck holprig und löchrig ist und dringend repariert werden muss. Der Bordingenieur, der auch die Verantwortung für den baulichen Zustand und die Tragfähigkeit des Schiffs trägt, sieht sich bestätigt: er braucht mehr Geld. So segelt das Schiff also weiter.

Maschinenschäden, Abnutzungserscheinungen, Materialermüdungen und anderes Unvorhergesehenes. Oder: Welche Gefahren drohen?

Aufmerksame Auguren haben längst erkannt, dass weitere Gefahren lauern. Bei der Schiffsfeuerwehr grummelt es mal wieder, die Planken sind nicht dicht, die Abwasserleitungen rosten, die ausgewiesenen Spiel- und Sportstätten sind in die Jahre gekommen, die schiffseigene Kläranlage bereitet Sorgen, die Gänge und Flure, auf denen sich die Passagiere bewegen, weisen Verwerfungen und Abnutzungen auf und sind zu Stolperfallen geworden. Die Gutachter aber freuen sich, weil sie wissen, wie man all diese Mängel kostspielig beseitigt. Und sie legen gerne noch eine Schippe drauf, damit das Schiff 5-Sterne-Status erhält und zukunftsfähig gemacht wird.