Druckerei Richard Conzelmann pflegt einen Jahrhunderte alten Brauch / Knien auf der Kante ist schlimmer als Bad im eiskalten Wasser

Von Karina Eyrich

Für die Drucker ist sie fast so wichtig wie der Gesellenbrief selbst, denn die Gautschfeier hat eine lange Tradition, die fast bis zu Johannes Gutenberg, dem Erfinder des Buchdrucks, zurückgeht. Die Firma Richard Conzelmann gautsch aber nicht nur junge Gesellen.

Sieben Jahre sind vergangen seit der jüngsten Gautschfeier der Firma Richard Conzelmann Grafik + Druck in Tailfingen. Dass besonders harte darunter waren, ist freilich nicht der Grund dafür: Das Unternehmen hat ein Herz für seine Mitarbeiter und wartet deshalb immer, bis so viele ehemalige Lehrlinge zusammenkommen, dass die Gautschfeier nicht allzu teuer wird für den Einzelnen – schließlich müssen diese sie selbst bezahlen.

Sogar einige Ältere, die schon vor vielen Jahren ihre Lehrzeit beendet haben, sind diesmal dabei. "Denn", so erklärt Richard Haasis, Organisator der Feier, "wer woanders seine Lehre absolviert hat und keinen Gautschbrief vorweisen kann, wird eben bei uns gegautscht."

Gautschen – der Begriff bezeichnet eigentlich den ersten Schritt zur Entwässerung nach dem Schöpfen des Papiers, aber eben auch jenes Ritual, mit dem die Lehrlinge von den Sünden und Verfehlungen ihrer Lehrzeit reingewaschen werden sollen. Als Schauplatz hat Haasis den Hof der Schussenrieder Brauerei in Bad Schussenried gewählt, die zu den besten Kunden der Tailfinger Druckerei zählt. Tatsächlich steht der Name "Richard Conzelmann Grafik + Druck" in roten Lettern auf den Speisekarten im Biergarten, die Gäste sogar als Souvenir mitnehmen dürfen.

Unweit der Biergarnituren steht ein riesiger grüner Bottich, von dem sich wohl mancher Gast fragt, was der dort zu suchen hat. Das wissen nur die gut 40 Mitarbeiter, die sich zum Ausflug angemeldet haben, um die erste Gautschfeier seit 2008 mitzuerleben. Nach einer Führung, in der die Tailfinger von Hans-Jürgen Holzheu unter anderem erfahren, dass der Umsatz des Bieres seit Einführung der besonders gut einsehbaren Kiste um mehr als drei Prozent gestiegen ist, und einem Mittagessen, verschwinden einige heimlich im Gewölbekeller.

Sie werfen sich in historische Buchdrucker-Gewänder, Leihgaben eines Stuttgarter Museums, während die 15 "Kornuten", wie die Gäutschlinge auch genannt werden, schon mal nach Ecken zum Verstecken suchen. Dann ziehen sie ein: Gautschmeister Hans-Jürgen Grzesch, Schwammhalter Bernd Bitzer, der Erste Packer Steffen Bendrin und die Zweiten Packer Dietmar Herrmann, Oliver Ölschläger und Thomas Steinhauer. "Es wird gegautscht!" ertönt ihr Ruf. "Wir sind vereint, um uns’re Herrn Kornuten nun einzureihn in den Kollegenkreis. Wie einst die Alten stolz zu tun geruhten, so tun auch wir zu alten Brauches Preis."

Von wegen Herrn: Auch Frauen werden gepackt

Von wegen "Herrn": Unter den Kornuten sind auch drei Frauen, denn nicht nur Drucker gautscht die Firma Conzelmann – auch Mediengestalterinnen und Angehörige ähnlicher Berufe. "Es sei – packet an!" Jetzt ergreifen Irina Freudenberger, Carmen Kölle und Elisabeth Keller ebenso die Flucht wie David Schnekenburger, Manuel Schreijäg, Achim Brandt, Erik Stauß, Patrik Kneule, Adrien Stiefel, Pascal Kürten, David Steigmann, Marius Schairer, Thomas Gehlen, Patrick Linz und Joachim Knapp. Doch der Hof ist begrenzt, und so bekommen die kräftigen Packer einen um den anderen zu fassen und tauchen ihn – oder sie – ins Wasser des Bottichs, das zuvor mit Eis noch einmal aufgefrischt worden ist.

Kein Wunder, dass die Kornuten schnattern vor Kälte, als sie nach dem Bad, dem eine Abreibung mit dem nassen Schwamm und eine Bierdusche folgen, auf den dreieckigen Holzscheiten knien müssen. Ihre Gesichter verraten: Das ist noch unangenehmer als die Taufe selbst, obwohl diese bei manchem mit einem heftigen Flug – rücklings, bäuchlings oder mit dem Kopf zuerst – ins eiskalte Nass einhergeht.

Zum Treueeid müssen danach alle die Hand auf einen Degen legen, den ihnen der Gautschmeister wie zum Ritterschlag auf die Schulter legt. Für jeden hat er ein flottes Sprüchlein parat, bevor er ihnen die Gautschbriefe überreicht.

Sie hat Richard Haasis besonders schön gestaltet und mit einem Siegel aus rotem Wachs versehen, an dem ein winziger Schwamm und die Initialen des Gäutschlings, in Blei gegossen, baumeln.

Signieren müssen die Gautschbriefe alle Beteiligten sowie die Zeugen, darunter Firmenchef Markus Conzelmann, Richard Haasis und Susanne Kräutle, die Leiterin des Bierkrugmuseums, die solch ein Spektakel auch nicht alle Tage erlebt in der Schussenrieder Erlebnisbrauerei. Dort fließt das Bier reichlich nach der Zeremonie – macht aber fast gar nichts: Die Rechnung wird unter den 15 Kornuten aufgeteilt.