Er trägt den Rucksack, sie die Verantwortung für den Entwurf – das Team der Entwicklerinnen zusammen mit ihrem Outdoor-Dummy. Foto: Schwarzwälder-Bote

Hochschulstudentinnen entwickeln Produkte aus "Spacer Fabrics". Abstandstextilien haben Zukunft.

Von Martin Kistner

Albstadt-Ebingen. "Spacer Fabrics" sind Textilien mit vielversprechenden Eigenschaften – aber um die zu nutzen, muss man herausfinden, wie man das Material am besten verarbeitet. 21 Studentinnen der Hochschule Albstadt-Sigmaringen haben Pionierarbeit geleistet.

Vor fünf Jahren Jahren sprach man noch von "Abstandstextilien", aber mittlerweile scheint sich in der Fachwelt der Anglizismus durchgesetzt zu haben – bei der gestrigen Projektpräsentation im Ebinger Haux-Gebäude wurde praktisch durchgehend der englische Terminus gebraucht. Was sind "Spacer Fabrics"? Textilien, die zu einem guten Teil aus Luft bestehen: Zwei unterschiedliche Decktextilien werden übereinandergelegt und durch sogenannte Polfäden miteinander verbunden – das Resultat kann bis zu einem Zentimeter dick sein und ist inzwischen ein beliebter Schaumstoffersatz. Sportmodenhersteller verwenden "Spacer Fabrics" für Polsterungen und die Automobilindustrie für die "Weichteile" ihrer Fahrzeuge, vor allem für Autositze.

In der Tat hatte es die eine Hälfte der jungen Nachwuchsentwicklerinnen aus dem Studiengang "Textile Produkttechnologie – Bekleidungstechnik" – allesamt Sechstsemester – mit einem Fahr-zeugsitz zu tun. Die andere waren beauftragt, in Kooperation mit der Firma Vaude Rucksäcke für Outdoor-Aktivitäten zu entwickeln: einen "körperfernen" und einen kleineren und leichteren mit "Körperkontakt". Letzterer bereitet naturgemäß Probleme: Man schwitzt, der Rücken wird nass, die Nässe verursacht erstens Unannehmlichkeiten und zweitens zusätzlichen Abrieb. Als Polstermaterial sind Abstandstextilien mit Luftzwischenräumen und durchlässigen Membranen herkömmlichem Schaumstoff deutlich überlegen, aber es gibt auch Probleme: Bei stärkerem Abrieb können, je nach dem, aus welchem Material die Membranen bestehen, die Polfäden austreten. Dann ist es um den Polsterungseffekt geschehen, und die Kleidung wird auch beschädigt.

Was lässt sich da tun? Die Studentinnen, die sich des Problems angenommen haben, sind bei der Suche nach geeigneten Materialien auf technische Gestricke gestoßen, wie sie der Sitzmöbelhersteller Vitra für die Sitzflächen seiner Stühle verwendet. Die Polfäden können mit Hilfe von sogenannten Fanghenkeln so ins Gestrick eingearbeitet werden, dass sie nicht mehr herausstehen und Schaden anrichten können.

Die Nachwuchsingenieurinnen verwenden so gefertigte "Spacer Fabrics" für einen kleineren Rucksack von 20 Litern Fassungsvermögen, mit angestrickten Schulterträgern, angeschnittener Hüftflosse und einem Federstahlrahmen, dessen Spannung es ermöglicht, den Rucksack auf etwa zwei Zentimeter Abstand zum Körper zu halten. Ein richtiger "Kontaktrucksack" ist er also nicht – seine Schöpferinnen sprechen von einem "Zwitter". Und haben noch eine Innovation in petto: Ihr Rucksack besteht nicht mehr aus verschiedenen Teilen, die nachträglich zusammengenäht werden, sondern ist aus einem Guss oder richtiger: aus einem "Strick". Das Verfahren lässt sich mit dem 3D-Druck vergleichen.

So avantgardistische Methoden kommen bei der Fertigung des zweiten, größeren Rucksacks, den eine andere Gruppe entwarf, nicht zum Einsatz, aber auch sie haben aufwendige Entwicklungsarbeit geleistet – und ebenso ihre Kommilitoninnen, die Autositze mit "Spacer Fabrics" bezogen: Wie muss man vorgehen, wenn man Spacer mit Spacer vernäht, wie wenn eine Lage Kunstleder oder ein anderes "Flachmaterial" hinzukommt. Welches Verfahren empfiehlt sich für die Kantenverarbeitung, welches für die Verbindungen? Flatsteam, Mehrstich Zickzack, Tapen, Kleben, Schweißen. Varianten gibt es viele, jede hat ihre Vor- und Nachteile, manches ist auch völlig indiskutabel – beispielsweise läuft Kunstleder Gefahr, beim Schweißen zu schmelzen.

Die Firmen, mit denen die Studentinnen zusammenarbeiteten, waren am Ende voll des Lobes für die Resultate und den konzentrierten Arbeitseinsatz: Drei Wochen netto hatten sie zur Verfügung – im Unternehmen hätte das vermutlich länger gedauert.