Geschichte: Demonstration erinnert an die beinahe vergessenen Juden Ebingens

Zum "Marsch des Lebens" haben sich rund 50 Teilnehmer versammelt. Ziel der Veranstaltung, zu der die TOS-Gemeinde Tailfingen aufgerufen hatte, war es, an die Opfer der Judenvernichtung und das jüdische Leben in Ebingen zu erinnern.

Albstadt-Ebingen. "Wir leben in einem Land unverdienter Gnade", erinnert Guido Kasch die Teilnehmer am "Marsch des Lebens". Kasch ist Pastor der Tailfinger TOS-Gemeinde und kommt aus Tübigen, wo die evangelikale Freikirche als "Tübinger Offensive Stadtmission" aus einer methodistischen Gemeinde hervorging.

Es folgt ein musikalischer Beitrag der ebenfalls aus Tübingen angereisten Band. Der Text ist hebräisch, das Lied heißt "Rachem" – Gnade. Hauptredner ist der Albstädter Stadtarchivar a. D. Peter Thaddäus Lang, er referiert an insgesamt fünf Stationen über seine Recherchen zum jüdischen Leben in Albstadt. "1930 gab es 25 Personen jüdischen Glaubens in Ebingen – nur ein winziger Anteil in Relation zu den damaligen 15 000 Einwohnern." Trotz schwerer Diskriminierung sei die Familie Gidion eine der wohlhabendsten gewesen, berichtet Lang. Die Gidions kamen 1930 nach Ebingen und übernahmen dort eine Filiale des Kaufhauses "Wohlwert".

Mit SA-Mann vor der Tür bald pleite

Doch der wirtschaftliche Erfolg hielt nur kurz an: "Wenn zu jeder Tageszeit ein kräftiger SA-Mann vor Ihrer Ladentür steht, dann können Sie sich ausrechnen, wie lange es dauert, bis Sie pleite sind", gibt Lang zu bedenken.

1933 musste die Familie ihr Geschäft aufgeben und bestritt ihren Lebensunterhalt fortan mit dem Verkauf von Wäsche einer Laichinger Firma in ihrer Privatwohnung. Das sei nur möglich gewesen, weil noch genug Leute zu der Familie hielten. Nach der Reichspogromnacht zog die Familie nach Stuttgart um, wo die Eltern Fanny und Sigmund in die Mühlen der Vernichtungsmaschinerie der Nazis gerieten – sie wurden 1941 nach Litauen deportiert. Ihren Söhnen hatten sie zuvor die Ausreise nach England ermöglicht. Die erste jüdische Familie in Ebingen war übrigens die Familie Grünberg. Sie eröffnete 1928 ein Schuhgeschäft in der Pfarrstraße 17, wo sich heute ein türkischer Gemüsehandel befindet.